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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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über seinen Einfall und den Verweis auf Balzac, nein, wirklich, ich will Sie durchaus nicht kränken, aber ich gebe Ihnen den Rat, lassen Sie die Sache fallen. Ärger und Frustrationen werden das Einzige sein, was Ihnen da entgegenschlägt …
    Mays Gesichtsfarbe ist vom angeregten Rot in eine fahle Totenblässe übergegangen. Er hat das Notizbüchlein seines Verlegers ergriffen, das der ihm lächelnd überlassen hat, blättert darin, blättert hin und her, endlich findet er das Wort „Warwarwar“, er starrt darauf wie auf ein Menetekel, mit aufgerissenen Augen, mit entfärbtem Gesicht, zitternd, macht einen Eindruck, dass Klara, die bei Paula Fehsenfeld gestanden hat und zu ihm herüberblickte, näher tritt und fragt, was vorgefallen sei. Es ist nichts, sagt May, bitte, Herzle, geh mit der Paula und dem Kind nochmal in den Wintergarten. Wir haben hier zu reden, der Herr Fehsenfeld und ich. Bitte, tu mir die Liebe. Klara, ohne ein weiteres Wort, wendet sich ab, geht zu den Fehsenfelds und führt sie aus dem Raum. Auch Paula hat gesehen, dass zwischen ihrem Mann und Karl May irgendetwas vorgefallen ist, sie ahnt, der Abend werde in einem Fiasko enden, doch sie wagt nicht zu fragen oder zu ihrem Mann zu gehen, sie nimmt Dora bei der Hand und folgt Klara May.
    Die beiden Männer stehen sich gegenüber. Kein Wort fällt zunächst. Sie warten, bis sie allein sind, bis von den Frauen nichts mehr zu sehen oder zu hören ist, messen sich mit den Augen wie zwei Ringkämpfer. May, noch immer bleich, spricht als Erster: Dass Sie mit meinem Drama geistig nichts anzufangen vermögen, sagt er und kratzt sich die Handinnenfläche, das tut mir leid, wundert mich indes nicht, denn es zeigt mir, was Sie geistig wert sind, es ist jammerschade, an so einen Verleger geraten zu sein. Nun gut. Vertiefen wir das jetzt nicht. Das könnte man ja ändern. Mal sehen. Dass Sie aber meinen lieben und teuren Herrn Schneider in Weimar belästigen mussten, dies nehme ich Ihnen übel. Sehr übel sogar. Was stören Sie ihn bei seiner wichtigen Arbeit? Er sitzt, soviel ich weiß, sogar über einem Deckelbild meines Dramas, über einem Porträt des Abu Kital und anderem Wichtigen …
    Wie viel ich geistig wert bin, mein Lieber, dies sei dahingestellt. Das wird sich noch erweisen. Ich bleibe dabei – Ihr Drama wird ein Ladenhüter und auf die Bühne …? Oh, mein Gott, Sie werden sehen, es wird sich kein Theater finden. Noch in einhundert Jahren wird es nicht aufgeführt sein, das wette ich. Was indes Ihren Herrn Schneider betrifft: Nun, mein Lieber, als wir ihn trafen, war er nicht allein, sein Freund, mit dem er lebt, Hellmut Jahn, ein junger Mann von etwas über zwanzig, war bei ihm, und mir schien es, dass die beiden sich durchaus nicht belästigt fühlten, im Gegenteil, sie scherzten mit uns, sie hielten sich bei den Händen, sie küssten sich sogar, was, zugegeben, auf mich einen etwas seltsamen Eindruck machte, aber, na ja, so seien sie eben, die Künstler, sagt Paula …
    Das meine ich nicht! Das nicht! entgegnet May schroff, das ist seine Sache, ausschließlich seine Sache, mit wem er sich abgibt, da hänge ich mich nicht rein, er ist ein erwachsener Mensch, er muss wissen, was er tut, und wenn er diesen jungen Menschen gern hat, meinetwegen, na und? Ich habe ihn auch gern, den Schneider, auf meine Weise, na und? Was geht es Sie an? Nein, nein, ich meine, dass Sie ihn durch solche Besuche in seiner Schaffenskraft ablenken, dass Sie ihn stören mit Ihrer Kaufmannsseele. Womöglich haben Sie ihm vorgerechnet, was seine Buchdeckel und die damit verbundene Reihe für Ausgaben bedeutet, haben Zahlen genannt wie ein ordinärer Buchhalter … Sie haben doch auch zu ihm von Ihrer Illustrationsidee gesprochen? Oder nicht? Sie haben ihn doch sicherlich gedrängt, sich Ihren Vorschlag zu durchdenken, haben ihn verunsichert, indem Sie andauernd wiederholten, dass die Schneider-Ausgabe nicht gut läuft, dass der Verkauf sich dahinschleppt. Haben Sie ihm etwa Geld gegeben, he? Etwa eine Art Vorauszahlung auf Ihre Pläne, auf diese ominöse illustrierte Ausgabe? Haben Sie oder haben Sie nicht? Los, raus damit.
    Nein, Verehrtester, hab ich nicht. Aber weil Sie mich so freundlich daran erinnern. Hier ist ein Scheck. Geben Sie ihm den Scheck. Er ist auf viertausend dotiert. Wie damals, als ich Ihnen auch einen Scheck über diese Höhe gab, mit der Bitte, ihn an Herrn Schneider weiterzuleiten, wenn er die Deckelbilder in Angriff nimmt. Erinnern Sie sich? Sie

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