Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)
haben ihn doch weitergeleitet? Oder etwa nicht? Und diesen hier, Fehsenfeld schwenkt den Scheck vor Mays Nase, den geben Sie ihm, wenn er eine Idee vorlegt, wie die illustrierte Ausgabe gestaltet werden kann.
Einverstanden? Oder soll ich auf dem Rückweg noch einmal bei ihm vorbeifahren …
Unterstehen Sie sich. Wagen Sie es nicht. May nimmt den Scheck, ja er reißt ihn dem Verleger beinahe aus den Händen, faltet ihn zusammen und legt ihn in seine Brieftasche, die er hervorgeholt hat. Ich werde mit meinem lieben Freund darüber reden, werde ihm erst einmal schreiben. Ich weiß es noch nicht. Muss selber nochmal drüber nachdenken. Und wenn er nicht will, verrechnen wir den Scheck eben mit meinen Honoraren. Oder nicht?
Fehsenfeld zuckt die Schultern, lächelt. Wie Sie wollen, mein Lieber.
May verabschiedet sich. Er müsse hinauf, die tägliche Schreibarbeit warte auf ihn. Sie hätten sich gesagt, was gesagt werden musste. Damit sollten sie es bewenden lassen. Seine Frau kümmre sich um ihn und die anderen. Er sagt tatsächlich „die anderen“, wendet sich ab, geht grußlos aus dem Raum. Ein kleiner, vergrämter, übel gelaunter Mann. Fehsenfeld schaut ihm nach, nein, er hält ihn nicht auf, kann sich nicht überwinden, ihm noch ein Wort nachzurufen, er lässt ihn gehen, grußlos, soll er doch, sagt er sich, soll er doch, ein bisschen kann er die Enttäuschung des alten Mannes verstehen.
Nach ein paar Minuten kommt Klara mit Paula und Dora aus dem Wintergarten. Fast wie auf ein Zeichen erscheint sie. Sie fragt nichts, scheint zu wissen, was sich abgespielt hat, macht ein ernstes Gesicht. Die Gäste verabschieden sich. Es sei schon spät. Bald Mitternacht.
Ob sie eine Droschke rufen solle?
Eine Droschke?
Ja, weil man doch Wein getrunken habe, und ein paar Weinbrand, den Sekt. Es heiße immer, da solle man nicht mehr selber kutschieren.
Ach nein, die paar Meter will man zu Fuß gehen. Der Weg an der frischen Luft werde ihnen guttun. Morgen holten sie dann den Wagen und führen zurück ins Breisgau, oder sie ließen den Wagen vom Hotelpersonal herüberholen. Auf alle Fälle – vielen Dank. Es sei ganz schön gewesen… sagt Paula. Sie errötet, aber das kann man vor dem Haus im Dunkeln nicht sehen. Das nächste Mal sollte man sich in Freiburg sehen.
Oh ja, entgegnet Klara, man werde sehen, Karl gehe es augenblicklich nicht so gut, seine Lungen seien nicht in Ordnung, aber er höre ja mit dem Rauchen nicht auf, schone sich nicht, dann dieser Ärger, die Kampagnen setzten ihm zu, die Angriffe dieses Subjekts Lebius und der anderen Lumpenkerle, und dann noch der Ärger mit seinem Drama und anderen Projekten, na, sie wüssten ja, was sie meine, ach, und die Zeiten wären schrecklich, alles treibe einem Kriege zu, Karl sehe das vor seinem geistigen Auge wie ein Seher, er leide sehr, ach, er leide fürchterlich …
Die Fehsenfelds gehen die Straße hinauf. Bald sind ihre Gestalten nicht mehr zu sehen, nur noch die Schritte sind zu hören, ein Husten, Wortfetzen. Klara lauscht, aber sie kann nichts verstehen. Sie schaut ihnen nach, bis sie die Dunkelheit unsichtbar macht, dann geht sie ins Haus, wechselt mit dem Mädchen, das an der Tür gewartet hat, ein paar Worte, schließt die Gartenpforte, die Haustür, geht nach oben, wo Karl in seinem Arbeitszimmer über einem Text sitzt. Er wolle nicht gestört werden, bitte Herzle, er hustet, es dauere noch, sie solle sich schlafen legen. Klara seufzt, schaut nochmal nach der Mutter, beginnt ihre Abendtoilette. Als sie dann in den Spiegel schaut, kommen ihr plötzlich die Tränen. Sie weiß auch nicht warum, sie muss einfach weinen. Es war so ein grässlicher Tag …
May, am Schreibtisch, lauscht auf die Schritte und Geräusche draußen auf dem Flur, auf der Treppe, im Bad. Als alles ruhig geworden, nimmt er ein Blatt, schraubt die Kappe vom Federhalter …
* * *
Jetzt, beinahe drei Wochen später, sitzt Karl May wieder in seinem Kabinett.
All die Erinnerungen an diesen ärgerlichen und unerfreulichen Fehsenfeld’schen Besuch im Kopf, will er den Brief, die Antwort, an seinen Herzensfreund Schneider nun endlich zu Ende bringen. Er überliest das Geschriebene, schüttelt den Kopf, knüllt das Blatt, wirft es in den Papierkorb, beginnt von vorn…
Allerliebster und Allüberall mir Allertheuerster…
9
… er habe seiner Frau,
schreibt er,
gesagt, sie solle Fehsenfeld unten im Salon die Voraussetzungen nennen, unter denen er einverstanden sei, den Plänen
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