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Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Titel: Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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frühstückte sie mit Blick auf das Meer.
    Sie vermisste ihre Figuren. Florine, Wilhelm, Thibaut, Baudouin, Guibert, Tancrède, Isabeau und die anderen. Ich war ungerecht zu dem armen Baudouin. Kaum war er auf der Bildfläche erschienen, habe ich ihn schon wieder umgebracht. Und das nur, weil ich wütend auf Shirley war. Guibert jagte ihr Schauer über den Rücken. Sie stand genauso unter seinem Bann wie Florine. Manchmal träumte sie nachts, dass er zu ihr kam und sie küsste, sie nahm seinen Geruch wahr, spürte seine warmen, weichen Lippen auf den ihren, sie erwiderte seinen Kuss, und er hielt ihr einen Dolch an die Kehle. Zitternd wachte sie auf. Die Männer waren damals so brutal! Sie erinnerte sich an eine Szene, auf die sie in einem alten Manuskript gestoßen war. Ein Mann erlebt die Niederkunft seiner Frau mit. »Über hundert Kilo Fleisch, Blut und Jähzorn. In der einen Hand einen großen, schweren Schürhaken, in der anderen eine riesige Kanne mit brodelnder Flüssigkeit. Das Neugeborene war ein Junge, und der Vater entspannte sich, er begann zu weinen, zu beten und zu lachen.« Frauen waren lediglich dazu da, Kinder zur Welt zu bringen. Isabeau singt ein vielsagendes Lied darüber: »Meine Mutter sagt, sie hat mich einem Mann mit Herz gegeben? Was für ein Herz soll das sein? Er rammt mir seinen Stachel in den Leib und schlägt mich wie seinen Maulesel.« Sie hatte Iris ihr Manuskript gegeben, und diese hatte es zu Serrurier gebracht. Jedes Mal, wenn das Telefon klingelte, zuckten die beiden Schwestern zusammen.
    An diesem Morgen gesellte sich Philippe zu ihr in die Küche. Auch
er stand immer früh auf. Er holte die Zeitung und Croissants, trank unterwegs einen ersten Kaffee und kam dann nach Hause zurück, um zu Ende zu frühstücken. Er kam nur an den Wochenenden. Kam freitagabends an und fuhr sonntags wieder zurück. Er hatte erst im August Urlaub. Er nahm die Kinder mit zum Angeln. Bis auf Hortense, die es vorzog, bei ihren Freunden am Strand zu bleiben. Ich muss sie unbedingt kennenlernen, dachte Jo. Sie wagte nicht, sie zu bitten, sie ihr vorzustellen. Hortense ging abends oft aus.
    »Ach, Maman«, sagte sie immer, »ich hab doch jetzt Ferien! Ich habe das ganze Jahr über gearbeitet, ich bin kein Baby mehr, ich kann abends allein weggehen …«
    »Aber du machst es wie Aschenputtel. Schlag Mitternacht bist du wieder hier«, hatte Joséphine in einem scherzhaften Ton angeordnet, der ihre Angst nur mühsam verbarg. Sie fürchtete, Hortense könne sich weigern. Aber sie hatte zugestimmt. Erleichtert hatte Joséphine das Thema nicht mehr angesprochen, und Hortense kam pünktlich um Mitternacht nach Hause. Nach dem Abendessen hörte man draußen ein kurzes Hupen, Hortense schluckte hastig den Rest ihres Nachtischs hinunter und stand vom Tisch auf. Die ersten Male hatte Joséphine bis Mitternacht wach gelegen und gelauscht, bis sie die Schritte ihrer Tochter auf der Treppe hörte. Doch später hatte sie, durch Hortenses Pünktlichkeit beruhigt, ihrem Schlafbedürfnis nachgegeben. Es war die einzige Möglichkeit, ihren Frieden zu haben! Ich habe nicht den Mut, mich jeden Abend mit ihr zu streiten. Wenn ihr Vater da wäre, könnten wir uns die Rollen aufteilen, aber allein fühle ich mich einer Auseinandersetzung mit ihr nicht gewachsen, und das weiß sie ganz genau.
    Im August würden die Mädchen zu ihrem Vater nach Kenia fliegen, und dann wäre es an Antoine, den Aufpasser zu spielen. Vorläufig wünschte sich Joséphine nur, nicht noch mehr Kraft in endlosen Streitereien mit ihrer Tochter zu vergeuden.
    »Möchtest du ein Croissant? Sie sind noch warm«, fragte Philippe und legte die Zeitungen und einen Beutel aus der Bäckerei auf den Tisch.
    »Ja. Gern …«
    »Woran hast du denn gerade gedacht, als ich reingekommen bin?«
    »An Hortense und ihre nächtlichen Ausflüge …«
    »Deine Tochter ist ein harter Brocken. Sie bräuchte einen Vater, der sie im Griff hat …«
    Joséphine seufzte.
    »Du hast recht … Aber gleichzeitig ist sie so hart, dass ich mir keine Sorgen um sie mache. Ich glaube nicht, dass sie sich in irgendwelche dunklen Geschichten hineinziehen lassen würde. Sie weiß ganz genau, was sie will.«
    »Warst du in ihrem Alter genauso?«
    Joséphine hätte sich um ein Haar an ihrem Tee verschluckt.
    »Machst du Witze? Du siehst doch, wie ich heute bin. Und damals war ich genauso, nur noch ein bisschen dusseliger.«
    Sie verstummte und bereute ihre Worte. Es hörte sich an, als

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