Die Gelehrten der Scheibenwelt
gewaltigen Strom des Lebens erhalten. Ein Echsenfossil reicht aus, um die Existenz von Echsen festzustellen – selbst wenn wir nur eine Art von den zehntausend gefunden haben, die es gab.
Dies im Sinn, können wir aber leicht sehen, daß selbst bei einem extrem plötzlichen Tod der Dinosaurier die Fossilbelege ohne weiteres einen anderen Eindruck erwecken könnten. Nehmen wir an, daß Fossilien einer bestimmten Art zufällig etwa alle fünf Millionen Jahre auftauchen. Manchmal sind sie wie Busse, und drei kommen auf einmal – das heißt, im Abstand von nur einer Million Jahre. Ein andermal sind sie auch wie Busse: Man wartet den ganzen Tag (zehn Millionen Jahre), und keiner läßt sich blicken. Aus den letzten zehn Millionen Jahren vor dem K-T-Übergang findet man zufällig verteilte Fossilien. Für manche Arten stammt der letzte Fund von vor 75 Millionen, für andere von vor 70 Millionen Jahren. Bei ein paar sind es zufällig nur 65 Millionen Jahre. Also scheint man ein allmähliches Erlöschen zu sehen.
Leider sähe man ziemlich genau dasselbe, wenn sie wirklich allmählich erloschen wären. Wie kann man den Unterschied feststellen? Man muß sich Arten ansehen, deren Fossilien viel häufiger sind. Wenn das Aussterben plötzlich erfolgt wäre, müßte bei diesen ein schärferer Schnitt zu sehen sein. Arten, die vollständig oder teilweise im Wasser leben, bilden öfter Fossilien, also stellt man den Zeitpunkt des K-T-Massensterbens am besten fest, indem man im Meer lebende Arten betrachtet. Kluge Wissenschaftler beachten daher das Dinosaurier-Drama nicht weiter und machen sich statt dessen mit winzigen Schnecken und anderen undramatischen Arten zu schaffen. Dabei stellen sie fest, daß die Ichthyosaurier ebenfalls etwa zu der Zeit ausstarben, ebenso die letzten der Ammoniten* [ * Viele Ammoniten-Arten starben 5 bis 10 Millionen Jahre vor dem K-T-Übergang aus, so daß sie tatsächlich allmählich verschwunden zu sein scheinen. Doch was immer am K-T-Übergang geschah, es gab ihnen den Rest. ] und viele andere Gruppen von Meerbewohnern. Also ist tatsächlich an der Grenze etwas Plötzliches und Dramatisches geschehen, doch es kann auch davor eine Folge anderer Ereignisse gegeben haben.
Welche Art von Drama? Einen wichtigen Schlüssel liefern Ablagerungen von Iridium, einem Metall, das in der Erdkruste selten ist. Iridium ist in manchen Meteoriten deutlich häufiger, insbesondere in denen aus dem Planetoidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Wenn man also ein außerordentlich reichhaltiges Vorkommen von Iridium auf der Erde findet, dann kann es durchaus von einem herabgestürzten Meteoriten stammen.
1979 stellte der Physiker und Nobelpreisträger Luis Alvarez Überlegungen in dieser Richtung an, und zusammen mit seinem Sohn Walter Alvarez, einem Geologen, entdeckte er eine Lehmschicht, die hundertmal mehr Iridium als normal enthält. Sie hatte sich genau am K-T-Übergang abgelagert und kann überall auf dem Festland der Erde gefunden werden. Die beiden Alvarez interpretierten diese Entdeckung als starken Hinweis, daß der Aufschlag eines Meteoriten das K-T-Massensterben verursacht hat. Die Gesamtmenge des Iridiums in der Schicht wird auf etwa 200 000 Tonnen geschätzt, was etwa der Menge entspricht, die man in einem Meteoriten von 10 km Durchmesser erwarten sollte. Wenn ein Meteorit von dieser Größe die Erde getroffen hätte, der sich mit der typischen Geschwindigkeit von 16 km pro Sekunde bewegte, hätte er einen Aufschlagkrater von 65 km Durchmesser hinterlassen. Die Energie des Aufschlags entspräche der von Tausenden von Wasserstoffbomben; sie hätte riesige Staubmassen in die Atmosphäre hochgeschleudert und das Sonnenlicht jahrelang verdunkelt, und wenn der Meteorit ins Meer gestürzt wäre – die Wahrscheinlichkeit dafür beträgt mehr als die Hälfte –, hätte er gewaltige Flutwellen und einen kurzlebigen Ausbruch von überhitztem Dampf hervorgebracht. Pflanzen wären gestorben, große pflanzenfressende Dinosaurier hätten keine Nahrung mehr gefunden und wären ebenfalls gestorben, bald darauf die fleischfressenden. Insekten hätten sich alles in allem etwas besser gehalten, ebenso die Insektenfresser.
Es haben sich viele Indizien angehäuft, daß der Chicxulub-Krater, eine überlagerte Felsformation auf der Halbinsel Yucatan im südlichen Mexiko, das Überbleibsel dieses Aufschlags ist. Kristalle von ›geschocktem‹ Quarz wurden am Aufschlagort breitgestreut: Die größten hat man in der
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