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Die Geliebte des Gelatiere

Die Geliebte des Gelatiere

Titel: Die Geliebte des Gelatiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Zahno
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Schmerz.
    Trotzdem begann ich, mich vorsichtig umzuschauen. Ich hielt die Augen offen. Aber wie immer, wenn ich die Augen offenhielt, sah ich nichts oder so viel, dass es mich verwirrte. Hätte ich mich nicht umgeschaut, wären mir die Frauen vielleicht zugeflogen. So aber blieb alles, wie es war.
    Dann tauchte Paolina auf. Ich sah sie zum ersten Mal in einer Diskothek in der Nähe des Bahnhofs. Vom ersten Augenblick an faszinierte mich die Art, wie sie tanzte. Allein wie sie sich bewegte, war bezaubernd. Sie hatte lange dunkle Haare, funkelnde grüne Augen, eine spitze Nase und ein Strahlen, das mich aus der Fassung brachte. Ich hatte keine Ahnung, wer sie war, bis Pietro auf mich zukam und mich fragte, ob ich die Brünette auf der Tanzfläche kenne. Ich schüttelte den Kopf.
    »Das ist Paolina, meine Ex«, brüllte er mir ins Ohr, während Age of Aquarius aus den Lautsprechern dröhnte.
    Ich hätte nicht gewagt, sie anzusprechen, aber wenn es Pietros Ex war, lag die Sache anders.
    »Ein wahnsinnig gutes Mädchen, eine tolle Frau«, sagte er, nicht ohne Stolz, mit einer solchen Schönheit zusammen gewesen zu sein. Er legte mir die Hand auf die Schulter.
    »Kein Vergleich mit den Zwillingen«, sagte er. »Wenn du willst, stelle ich sie dir vor.«
    Seine großspurige Art ging mir auf den Wecker. Aber Paolina war so sehr ins Tanzen versunken, dass an ein Vorstellen nicht zu denken war. Wie in Trance drehte sie sich über die Tanzfläche und ging ganz in den schnellen Rhythmen auf. Jede ihrer Bewegungen war rund und harmonisch, nichts Falsches war in ihren Schritten und Drehungen, nichts Aufgesetztes – sie schien völlig eins mit der Musik.
    Ich beobachtete sie und blieb in dem verrauchten Schuppen, bis sie ihn um drei Uhr nachts verließ. Vor dem Lokal alberte sie noch mit einer Gruppe von Leuten herum. Zwei Typen bemühten sich um sie, aber vergebens. Ich stand etwas abseits und wartete, vielleicht ergab sich eine letzte Gelegenheit für einen Blickkontakt, ein Lächeln, ein scheues »Ciao«. Dass sie so lange geblieben war, schien mir ein Zeichen, dass sie keinen Freund hatte. Das versetzte mich in Hochstimmung. Aber obwohl ich in der Nähe herumlungerte, bemerkte sie mich nicht. Hätte ich etwas sagen sollen? Doch es war drei Uhr nachts, nicht gerade die Zeit, wo man mit Unbekannten ein Gespräch anfängt. Ich hing herum, bis Paolina mit ihrer Freundin ein Boot bestieg und in der Dunkelheit verschwand.
    In der Hoffnung, sie zu treffen, ging ich am nächsten Wochenende wieder in die Diskothek, aber sie war nicht da. Die anderen Mädchen, die im »Casanova« über die Bretter wirbelten, interessierten mich nicht. Enttäuscht nahm ich das Vaporetto und fuhr nach Hause. Diskotheken hatte ich noch nie wirklich gemocht. Die meisten Leute darin benahmen sich unnatürlich, und die Frauen waren oft schrecklich aufgetakelt. In einer Diskothek hatte ich noch nie eine interessante Frau kennengelernt. Warum sollte sich das plötzlich ändern?
    Nachdem Pietro vergeblich versucht hatte, uns zu einem gemeinsamen Essen einzuladen, gab er mir ihre Adresse und meinte, ich sollte sie einfach anrufen, das würde sie beeindrucken. Ich wusste, dass ich das nicht konnte, trotzdem war es beruhigend, ihre Adresse auf einem Zettelchen in den Händen zu halten.
    Das Zettelchen in meiner Hosentasche ließ sie in gewisser Weise bei mir sein. Es brachte mich auf die Idee, ihr einen Brief zu schreiben. Auch wenn es ein ungewöhnlicher Weg war, an sie heranzutreten, war ich mir sicher, dass sie darauf reagieren würde.
    Ich schrieb ihr, dass ich sie vor ein paar Wochen im »Casanova« gesehen hätte, dass mir ihre Art zu tanzen gefallen hätte, dass ich von Pietro ihre Adresse hatte und dass ich sie gerne auf ein Gelato an die Zattere einladen würde. Es war kein aufregender Brief, aber ich kannte sie ja nicht.
    Eine Woche lang hörte ich nichts. Ich saß wie auf Kohlen. Mein Optimismus wandelte sich allmählich in Ernüchterung. Nach zehn Tagen gab ich auf. Offenbar war das nicht der Weg, jemanden kennenzulernen. Nach zwei Wochen jedoch, als ich die Sache schon abgehakt hatte, erschien sie in der Gelateria. Barsch fragte sie mich, ob ich Alvise sei. Dann legte sie los. Auf diese Weise von Mann zu Mann weitergereicht zu werden, mache sie stinkesauer. Sie fluchte über Pietro, der, ohne zu fragen, ihre Adresse herausgerückt hatte. Und sie fand es unmöglich, dass ich ihr einen Brief geschrieben hatte.
    Eine solche Reaktion hatte ich nicht

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