Die Geliebte des Gelatiere
meine Dachkammer aufzuräumen. Ich entrümpelte den Kleiderschrank, sortierte Bücher aus, trennte mich von kaputten Tassen. Mit einem Schrubber entfernte ich die Spuren der Schubkarre. Das Badezimmer, an dessen Decke wieder ein Gecko hing, brachte ich auf Hochglanz. Zuletzt ordnete ich die Sachen auf meinem Schreibtisch. Ich räumte Tagebuch und Notizen weg, legte nicht mehr Benötigtes zum Stapel mit dem Altpapier. Als ich die Schublade durchforstete, stieß ich auf ein rotes Haarband. Bestürzt hielt ich mich am Schreibtisch fest und starrte das Band an. Schließlich nahm ich es, roch Vanille und wusste, was zu tun war.
17
Als ich aus dem Gebäude des jfk -Flughafens trat, sah ich eine Schlange von Menschen, die auf Taxis warteten, einen Schwarzen, der diese Schlange hektisch dirigierte, und zwei, drei gelbe Cabs. Dahinter sah ich Betonbrücken, Highways und nochmals Betonbrücken. Ein ungeheurer Lärm von vorbeirauschenden Trucks und startenden Maschinen dröhnte in meinen Ohren.
Ein Pakistani chauffierte mich durch den dichten Verkehr Richtung Penn Station. Er sprach kein Wort und war ganz auf das Fahren konzentriert. Die Outer Boroughs waren heruntergekommen und schmuddelig, triste Vorstädte aus roten Backsteinen. Schließlich tauchten am Horizont die geschliffenen Ränder der Skyline von Manhattan auf. Die Gebäude ragten so hoch, dass sie reine Einbildung zu sein schienen.
Vor dem Bahnhof dampfte es unablässig aus dem Untergrund – aus einem mächtigen Kunststoffrohr stiegen weiße Schwaden hoch, die über die Seventh Avenue tänzelten, sich kringelten, auseinanderstrebten, sich wieder zusammenballten, um sich weit oben in nichts aufzulösen. Es sah aus, als ob die Erde schwer schnaufte, als ob es hier dicht unter der Oberfläche ein Leiden gab.
Nahe dem dampfenden Rohr lag eine Frau auf dem Pflaster. Ein Sanitäter hievte sie in Seitenlage. Auf dem Boden bildete sich eine kleine Lache, daneben lag ein ramponiertes Rad. Rasch formierte sich ein Kreis um die Verletzte, und ich sah nichts mehr.
In der Penn Station erklangen Vivaldis Vier Jahreszeiten. Am Schalter zeigte ich meinen Pass und kaufte eine Fahrkarte. Danach stellte ich mich in der Nähe der Anzeigetafel hin, um zu sehen, auf welchem Bahnsteig mein Zug fahren sollte. In der Halle wimmelte es von Menschen. Über Lautsprecher wurden Verspätungen und Abfahrtszeiten bekannt gegeben, und die Leute liefen mit mürrischen Gesichtern herum. Aus Sicherheitsgründen war es verboten, auf dem Bahnsteig zu warten. Überall standen Reisende, die nervös Uhr und Gepäck im Auge behielten und auf die Ankündigung warteten, wo ihre Züge fuhren. Polizisten patrouillierten mit schweren Maschinengewehren durch die Halle. Wenn die Durchsage fünf Minuten vor der Abfahrt kam, setzte jeweils ein Ansturm in Richtung des betreffenden Bahnsteigs ein, so dass die rollenden Koffer Die vier Jahreszeiten übertönten.
Track five für Reisende Richtung Albany. Inmitten einer aufgeregten Meute rannte ich zur Rolltreppe zu Bahnsteig fünf. Am silbernen Zug mit den blau-weiß-roten Streifen war nur eine Tür offen. Daneben stand der Schaffner, begrüßte die Passagiere und gab Anweisung, in welchen Teil des Zugs man sich setzen sollte. Ich ging durch die Waggons zum Barwagen und suchte mir einen Platz in der Nähe der dinette. Auf farbigen Tafeln las ich, dass neben Deluxe Club House Sandwiches, Toasted Bacon und Tasty Potato Salad auch Solero Shots, Magnum und andere Eis-Biscuits angeboten wurden.
Der Zug fuhr an und tuckerte minutenlang durch kaum beleuchtete unterirdische Gewölbe, in deren engen Nischen angeblich Tausende von Obdachlosen lebten. Aber es war so finster, dass ich nichts sah, und irgendwie konnte ich mir das auch nicht vorstellen.
Schließlich tauchte der Zug aus den Katakomben auf und stampfte an backsteinernen Wohnsilos und Industrieanlagen vorbei am Ufer des Hudson entlang. Die Sonne blendete und ließ den Fluss glitzern. Das Pfeifen der Lokomotive erinnerte an alte Western, es lag etwas Fröhliches und Optimistisches darin.
Durch den Lautsprecher verkündete der Schaffner, dass wir das »center of the civilized world« verlassen hätten, und forderte auf, den Sitzplatz bis zur Fahrscheinkontrolle nicht zu verlassen. Dann rief er die Station Yonkers aus. Es folgten Croton-Harmon und Poughkeepsie. Poughkeepsie. Das klang nach Indianern, Kojoten und Waschbären.
Nach und nach wurde es kühler im Waggon, die Klimaanlage lief auf vollen Touren, und
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