Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)
wurde, sah ich mich um und suchte nach einem
geeigneten Platz zum Schlafen. Doch weit und breit war keiner zu sehen und ich
folgte dem Wasser weiter flussabwärts. Der Bach würde mich sicher an einen schöneren
Platz bringen, hoffte ich.
Die Nacht kam nicht unerwartet, doch viel zu
schnell. Ich sah mich gezwungen, möglichst rasch ein geeignetes Lager für die
Nacht zu finden. Als ich einen abgestorbenen Baum erblickte, entschloss ich
mich kurzerhand, auf dessen Ästen zu schlafen. So glaubte ich mich einigermaßen
in Sicherheit vor den Wildkatzen oder größeren Tieren, die hier vielleicht
herumliefen.
Was ich aber nicht bedacht hatte: Auf einem Ast zu
schlafen mochte vielleicht für einen Affen keine Kunst sein, wohl aber für
einen Menschen. Vor lauter Angst, während des Schlafes das Gleichgewicht zu
verlieren und herunter zu fallen, tat ich kein Auge zu. Wenn ich ein wenig
Kraft tanken wollte, musste ich wohl oder übel am Fuße des toten Stammes
schlafen.
Den Rucksack eng an mich gedrückt, die Beine so
nah herangezogen, wie nur möglich, horchte ich in die Nacht und schreckte
mehrmals wegen der unbekannten und unheimlichen Geräusche auf. Irgendwann fiel
ich dann doch in einen unruhigen und wenig entspannenden Schlaf. Ich träumte
von großen Katzen, die an meinen Gliedmaßen rissen und mich über die Hochebene
schleiften.
Der Schrei eines Adlers weckte mich am nächsten
Morgen aus meinem Schlaf und ich hatte das Gefühl, mein Kopf würde jeden Moment
platzen. Räkelnd streckte ich mich, um meine steifen Muskeln wieder beweglich
zu machen und schleppte mich zum Bach. Das kalte Nass munterte mich schlagartig
auf, und nachdem ich meinen Wasserbeutel wieder aufgefüllt und meinen Rucksack
geschnürt hatte, folgte ich weiter dem schnellen Gewässer.
Den ganzen Vormittag ging es leicht abwärts, bis
ich schließlich ein Rauschen hörte. Es wurde immer lauter und ging in ein Tosen
über, welches sich als große Stromschnellen entpuppte. Staunend blieb ich
stehen und betrachtete die Urgewalt der Natur: Irgendwann hatte es einen
Steinrutsch gegeben und große Geröllbrocken hatten sich auf der Hochebene
aufgestaut. Das Wasser hatte sich über die Jahrhunderte hinweg tief ins Gestein
gefressen, und ein schnelles Gefälle war entstanden. Es zwängte sich durch
Felsbrocken und rauschte mit Schaumkronen bergabwärts. Der Lärm war
ohrenbetäubend und hatte gleichzeitig auf seltsame Art etwas Beruhigendes. Der
Weg aber schien für mich hier erst einmal zu Ende zu sein.
Bei genauerem Hinsehen entdeckte ich einen kleinen
Pfad, der entlang des Ufers führte. Man musste über einige größere Felsbrocken
klettern und ich wusste nicht, ob ich das schaffen würde. Die einzige
Alternative war der Rückweg, um an einer seichteren und ruhigeren Stelle den
Bach zu überqueren. Abwägend sah ich zurück und entschied mich, nach einigem
Überlegen, für den Abstieg. Dieser gelang mir auch ganz gut, nur leider vergaß
ich mit abnehmender Kraft und Konzentrationsfähigkeit meine fehlenden Zehen.
Mit ihnen hätte ich sicherlich einen besseren Halt gehabt. Doch ohne sie
rutschte ich schließlich aus. Für einen Moment konnte ich das Gleichgewicht halten
und ruderte wild mit den Armen. Letzten Endes aber verlor ich doch den Kampf
gegen die Schwerkraft und fiel schreiend in das rauschende Wasser, das mich
gleich erbarmungslos mit sich riss.
Ich schluckte eiskaltes Wasser und hatte das
Gefühl, man stach mir mit einem Messer in die Lungen. Die Luft blieb mir weg
und ich sah nur noch weißen Schaum um mich. Harte Schläge donnerten auf meinen
Körper, wenn ich gegen die Felsen geschleudert wurde und ich bemerkte wie aus
der Ferne, dass ich wohl gerade die Stromschnellen hinuntergetrieben wurde.
Mein Körper war in dem Getöse ein Spielball der Natur und nur dank der betäubenden
Kälte erkannte ich nicht die tödliche Gefahr, in der ich schwebte.
Als das Wasser weiter flussabwärts wieder ruhiger
wurde, spülte eine Welle meinen geschundenen Körper in seichteres Gewässer. Er
wurde schließlich an das sandige Ufer gespült, wo ich bewusstlos liegenblieb.
Teil VII
BIS ANS ENDE DER TAGE
30 Der Gesandte und die
Geschundene
Nahe der Grenze, 1. Mondmonat 1076
Das neue Jahr hatte gerade erst begonnen und den
Soldaten lag eine gewisse Trägheit in den Knochen. Während der Schneemonate war
es nicht möglich, kriegerische Manöver zu starten, und der Großteil des Heeres
tankte Kraft für das neue Jahr.
Einige
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