Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)
habe eine Nachricht für den
Kanzler dieses Landes. Mein Heerführer wünscht ihn zu sprechen.“
„Unser Kanzler ist nicht in unserem Lager. Wir
geben die Nachricht an ihn weiter.“ Der Mann griff nach der Rolle und nahm sie
Ketùn aus der Hand. „Gibt es sonst noch etwas?“
Ketùn vermied es, sich auffällig umzusehen und verneinte.
„Ich habe keine weiteren Nachrichten, bin aber angehalten, eine mögliche
Antwort von Eurer Seite mit zurück zu nehmen.“
Der Mann lachte. „Wir haben Euch nichts zu sagen.
Macht Euch auf den Rückweg, aber ich rate Euch, beeilt Euch damit, denn meine
Männer würden Euch zu gerne kopflos sehen.“
Ketùn verabschiedete sich mit einem weiteren
Nicken und entfernte sich. Vor dem Zelt erwartete ihn bereits die Eskorte von
zuvor. Er saß auf und ritt, flankiert von den fremden Männern, aus dem Lager
hinaus. Am Rande angekommen, wurden ihm wieder die Augen verbunden und man
führte ihn an den Ausgangspunkt, wo er auf die feindlichen Späher getroffen
war.
Noch während er mit verbundenen Augen geführt
wurde, gingen ihm viele Dinge durch den Kopf. Er konnte nicht glauben, dass sie
ihm einen Blick in das Lager gewährt hatten. Ob dies nur ein Teil des Heeres
war? Das konnte doch unmöglich alles sein, auf das Xia sich stützte! Entweder
war dieser Kanzler größenwahnsinnig oder er verfolgte ein Ziel, welches Ketùn
noch nicht verstand.
Als die Männer ihn wieder verlassen hatten, nahm
er zunächst den alten Weg wieder auf, der ihn hierher geführt hatte. Doch
bereits nach einer kurzen Weile wählte er eine andere Route, weil er
befürchtete, die Späher von Xia würden ihm folgen. Er lenkte sein Pferd Nano bergaufwärts und ritt querfeldein. Die Nacht verbrachte er so verborgen wie
möglich und ritt schon in den frühen Morgenstunden weiter.
Das Rauschen eines nahen Flusses machte ihn neugierig,
denn er hatte Durst und auch Nano würde sich über frisches Wasser
freuen.
Das Tosen wurde immer lauter und schließlich
gelangte Ketùn an das brausende Wasser, das vom Berg herabfloss. Weiter oben
sah er ein größeres Gefälle und er genoss den Anblick der wilden Schönheit, die
die Natur ihm hier bot. Er saß ab und ließ das Pferd am Ufer stehen, damit es
trinken konnte. Er selbst tauchte seine Hände in das klare Nass und wusch sich
das Gesicht. Prustend streifte er die Tropfen ab und schüttelte sein Haar. Das
Wiehern seines Pferdes holte ihn aus seinen Gedanken und er blickte zu ihm
hinüber. Nano stand ein paar Meter entfernt am Ufer und stupste gegen
etwas, was Ketùn nicht sehen konnte; ein großer Stein lag im Weg. Mit gezogenem
Schwert ging der junge Soldat ein paar Schritte auf sein Pferd zu. Als er eine
Hand am Boden erspähte, rannte er und war in wenigen Sätzen angekommen.
„Wen hast du denn da gefunden, alter Freund?“,
fragte er sein Pferd, während er auf einen scheinbar leblosen Körper starrte.
Nano schnaubte und schüttelte seinen großen
Kopf.
Ketùn kniete sich nieder und berührte den Körper
an der Schulter. Der Mensch bewegte sich nicht und Ketùn drehte ihn auf den
Rücken. „Eine Frau“, rief er überrascht.
Von vorne sah man das Ausmaß der Verletzungen. Ihr
Körper war übersät mit blauen Flecken, ihr Gesicht stark geschwollen. Ketùn
beugte sich herunter und horchte mit seinem Ohr am Brustkorb der Frau.
„Das Herz schlägt noch“, stellte er fest und
suchte den Körper oberflächlich nach offenen Verletzungen ab. Dabei fiel sein
Blick auf ihre Füße und er erschrak. „Sie muss von weit her sein. Die Füße sind
furchtbar zerschunden – so etwas habe ich noch nie gesehen!“ Er wandte sich
wieder ihrem Gesicht zu und strich ihr die nassen Haare hinter die Ohren. Sie
musste einmal wunderschön gewesen sein.
Man sah ihr an, dass sie in der letzten Zeit sehr
gelitten haben musste, wahrscheinlich auch gehungert. Obwohl das Gesicht
geschwollen war, wirkten die Wangen wie eingefallen, die Augen dunkel
unterlaufen, die Lippen rissig. Ihre Hand war rot und ebenfalls geschwollen und
fühlte sich sehr heiß an, obwohl der restliche Körper eisig war. Ketùn sah,
dass sie wohl gebissen worden war und dass sich Eiter in der Wunde gebildet
hatte. Sein Blick schweifte an ihren Beinen entlang. Er konnte ohne weiteres
ihre Fußknöchel umfassen, so dünn waren sie; und was mit ihren Füßen passiert
war, darüber wagte er kaum nachzudenken.
Er strich ihr immer wieder über das Haar und
schließlich hustete sie. Vorsichtig richtete er sie auf,
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