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Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Titel: Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Pilastro
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und wenn es nicht zu weit entfernt ist, bringe
sie dorthin!“
    Ketùn nickte und macht sich auf den Weg zu
Shao-Ma.
     
    ***
     
    Seit es mir körperlich besser ging und ich auch
wieder laufen konnte, ging ich den Ärzten ein wenig zur Hand und erledigte für
sie kleinere Hilfsarbeiten. Man hatte erkannt, dass ich mich etwas mit Kräutern
auskannte und mir angeboten, Salben nach vorgegebenen Rezepturen zu mischen und
Verbände zu wechseln. Im Moment gab es nicht allzu viel zu tun, doch ich war
froh, eine kleine Aufgabe zu haben.
    Ketùn fand mich beim Aufwickeln von frischegewaschenen
Tüchern.
    „Ich habe den Auftrag erhalten, Euren Mann
ausfindig zu machen, damit ich Euch zu ihm bringen kann“, erklärte er mir.
    „Wer hat Euch diesen Auftrag gegeben?“, fragte ich
neugierig.
    „Mein Heerführer. Es wird hier vielleicht bald zu
kriegerischen Auseinandersetzungen kommen und er möchte dann nur seine Soldaten
im Lager haben. Es ist für Euch sicherer, wenn ich Euch bald nach Hause bringen
könnte. Wo findet man Euren Mann?“
    „Ich weiß es nicht. Ich dachte eigentlich, ich
könnte ihn hier finden.“
    Ketùn riss erstaunt seine Augen auf. „Ist Euer
Mann etwa Soldat?“
    Ich nickte.
    „Wieso habt Ihr das nicht schon eher gesagt?“,
fragte er.
    Verschämt knetete ich meine Hände und flüsterte:
„Weil ich nicht weiß, auf welcher Seite ich mich befinde.“
    Ketùn starrte mich eine Weile an und musste dann lachen.
    „Ihr seid auf der Seite der Song“, sagte er. „Ist
das nun gut für Euch oder nicht?“
    Erleichtert atmete ich auf: „Gut.“
    Nur mit Mühe schaffte ich es, meine Euphorie zu unterdrücken.
Ich war tatsächlich am Ende meiner Reise angelangt, und einem Wiedersehen mit
Bao schien nichts mehr im Wege zu stehen.
    „Dann schicke ich Euch am besten meinen Heerführer“,
schlug Ketùn vor. „Er kennt viele seiner Männer – wenn auch nicht alle. Aber er
kann Euch sicher helfen, Euren Mann wieder zu finden.“
    Mein Puls schlug mir gegen den Kehlkopf und ich
konnte meine Unrast kaum verbergen. „Wenn Ihr das für mich tun könntet, wäre
ich Euch sehr dankbar.“
    Er ging, um nach seinem Heerführer zu suchen.
    Armer Ketùn, meldete sich mein Gewissen. Er war so
nett zu mir und ich verletzte ihn auf diese Weise! Aber ich konnte es ja
schließlich nicht ändern, dass ich ihn nicht liebte. Auf der anderen Seite:
Woher wollte ich wissen, dass Bao überhaupt noch frei war? Sollte ich nicht lieber
Ketùn nehmen, für immer Shao-Ma werden und frei sein? Niemand würde mich
suchen, denn Min-Tao war tot.
    Ich war hin- und hergerissen. Aufgeregt lief ich
im Zelt auf und ab, legte die zusammengefalteten Tücher von einem Stapel auf
den anderen und horchte immer wieder auf Schritte von außerhalb. Schließlich
hörte ich das Rauschen von Stoff und begriff, dass jemand kam. Die Sommersonne
warf einen verzerrten Schatten auf das weiße Zelt und dann hörte ich seine Stimme.
    „Ist das Mädchen Shao-Ma hier?“
    „Ja, Herr“, gab einer der Ärzte zur Antwort.
    Die Zeltplane wurde beiseitegeschoben und ich
wandte dem Gast meinen Rücken zu.
    „Seid Ihr Shao-Ma?“, hörte ich es hinter mir
fragen.
    „Ja“, flüsterte ich.
    „Ich bin Bao Sen-Ho, der Heerführer dieser Männer.
Ich habe gehört, Ihr sucht Euren Mann.“
    „Ja“, flüsterte ich erneut, noch immer das Gesicht
abgewandt.
    „Frau, wollt Ihr Euch nicht vielleicht umdrehen,
wenn Ihr mit mir sprechen wollt?“, fragte Bao leicht gereizt.
    Da drehte ich mich langsam um. Die Haare hingen
mir ins Gesicht und ich konnte durch die Strähnen einen Blick auf ihn werfen.
    Er sah älter aus, als ich ihn in Erinnerung hatte.
Lange hatte ich ihn nicht gesehen; er hatte erste graue Haare, und Falten
durchzogen sein Gesicht. Für mich war er noch immer der schönste Mann, den ich
je gesehen hatte. Ich war am Ende meiner Kräfte und trat einen Schritt zurück.
    „Habt doch keine Angst vor mir. Ich tue Euch
nichts“, missinterpretierte Bao mein Zurückweichen. Er beugte sich etwas nach
vorne und versuchte hinter den Haaren etwas zu erkennen. „Ich würde gerne
sehen, mit wem ich es zu tun habe.“ Vorsichtig ging er einen Schritt auf mich
zu und strich mir sachte die Strähnen aus dem Gesicht. Mitten in dieser
Bewegung hielt er inne und erstarrte.
    Ich hob meinen Blick und sah ihm direkt in die
Augen. Es war wie damals während des Mondfestmahls, als wir uns das erste Mal
gesehen hatten.
    „Das kann nicht sein“, entfuhr es Bao. „Bist du

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