Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)
Aber Ihr habt Recht. Ich muss zurück.“
Er ging zum Rande der Hecke und war kurz davor, hindurch zu gehen, als er inne
hielt. „Ihr könnt gerne weiterhin hier stehen und zusehen, wenn Ihr Gefallen daran
gefunden habt.“
Ich nickte.
„Werdet Ihr wieder kommen?“, fragte er und sah
mich nach wie vor an.
Mein Nicken kam sehr verhalten, aber Bao musste es
gesehen haben.
„Ich freue mich“, sagte er lächelnd und ging.
9 Eine Nacht am See
Dongjing, Sommer 1070
„Sie treffen sich jede Woche in dieser Thujenhecke
am Ende des Gartens.“ Cheng-Si hatte Wang Anshi zu einer heimlichen Unterredung
gebeten und ihm ihre Beobachtungen geschildert. Min-Tao hatte eine plötzliche
Veränderung gezeigt, war fröhlicher als gewohnt und zugleich verschlossener.
Und einmal wöchentlich war sie zu einem größeren Spaziergang verschwunden, von
dem sie mit rosigen Wangen wieder zurückkehrte. Cheng-Si hatte sofort gewusst,
dass Min-Tao sich mit einem Mann traf, doch sie war geschockt, als sie
feststellte, um welchen Mann es sich tatsächlich handelte. Es hatte
einige Zeit gedauert, herauszufinden, wo und wann sie sich trafen, zumal
Cheng-Si selbst nicht so gut zu Fuß war wie ihr Nesthäkchen. Doch letzten Endes
hatte sie die beiden entdeckt und sich nach einigen Überlegungen Wang Anshi
anvertraut. „Er ist schließlich Euer Schützling. Ihr werdet wissen, was zu tun
ist.“
Wang Anshi dachte nach. „Ich habe das kommen sehen“,
seufzte er. „Es ist eine Sache, sich bei einer Gartenlaune mit einer
Nebenfrau des Kaisers zu unterhalten; sich aber mit ihr in einem Versteck zu
treffen eine ganz andere . Ich werde mit ihm sprechen. Das muss
aufhören.“ Er wandte sich Cheng-Si energisch zu. „Und das werdet Ihr Eurem
Mädchen auch sagen.“
„Was hast du dir dabei gedacht?“ Wang Anshi lief
im Quartier seines Schützlings auf und ab.
„Ich liebe sie!“, sagte Bao mit einem Nachdruck,
der sie beide überraschte.
„Bist du bei Sinnen?! Sie ist eine Frau des
Kaisers!“
„Er will sie doch nicht einmal! Er hasst ihre
Füße. Und er ruft sie so gut wie nie zu sich.“
„Das gibt dir noch lange nicht das Recht, sie an
seiner Stelle zu nehmen!“
Bao Sen-Ho war bestürzt. „Das habe ich auch nicht!
Wir treffen uns nur, um zu reden.“
„Erzähl mir doch keine Märchen! Auch ich war einst
jung, selbst wenn man das meinem Körper vielleicht nicht mehr ansehen mag.“
Wang Anshi rollte mit den Augen. „ Reden . Was ist aus deinen Prinzipien
geworden, Frauen würden alles durcheinander bringen? Hat man dir nicht
beigebracht, deine Emotionen zu kontrollieren?“ Der alte Mann wurde immer
aufgebrachter. „ Reden ! Dass ich nicht lache!“
„So ist es aber. Wir reden nur.“
***
„So ist es aber. Wir reden nur.“ Trotzig sah ich
die Hausmutter an. „Er hat mich noch nicht einmal...“ – ich suchte nach einer
passenden Erklärung – „...näher berührt, das schwöre ich. Im Grunde genommen
tue ich nichts anderes, als den Truppen beim Trainieren zuzusehen. Das kann
mein Kaiser gerne auch so erfahren!“
„Du siehst den Männern beim Trainieren zu? In
einer Thuja?! Und daran soll der Kaiser nichts Merkwürdiges finden?!?“ Cheng-Si
sah aus, als hätte sie sich am liebsten die Haare gerauft, wenn sie damit nicht
ihre kunstvolle Frisur zerstört hätte. „Was hast du dir dabei gedacht?“
„Ich liebe ihn.“
„Oh Gott, sie ist vollkommen übergeschnappt. So
jung und redet von Liebe. Er hat dich noch nicht einmal berührt und du
hältst das für Liebe?!“ Cheng-Si blieb vor mir stehen, atmete tief durch und
fällte einen Entschluss: „Das muss ein Ende haben! Sofort! Ich habe mit Wang
Anshi gesprochen und wir beide kennen den Kaiser gut genug. Schwärmereien sind
hinnehmbar, nicht aber eine Affäre, wie ihr beide sie gerade ansteuert!“ Sie
rüttelte mich. „Hast du gehört, Mädchen“, fuhr sie mich an. „Das muss ein Ende
haben! Sag es ihm! Oder ich werde es ihm sagen!“
Mit diesen Worten verließ die Alte den Raum und
zog energisch die Schiebetüren hinter sich zu.
***
„Du wirst es ihr sagen, oder ich werde es tun!“
Wang Anshi stand auf und verließ Baos Quartier. Der junge Mann blieb aufgewühlt
zurück. Sie hatten sich gerade erst gefunden, hatten noch nicht einmal wirklich
zueinander gefunden und da sollte es schon ein Ende haben?
„Du alter Narr“, schalt ihn sein Gewissen. „Was
hast du erwartet? Du wusstest, dass sie eine der
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