Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)
über die Demütigung beiseite geschoben. Geschickt konterte er
und wich dem Angriff seines Heerführers aus. Da Bao jedoch damit gerechnet
hatte, schaffte er es dennoch, Ketùn zu Fall zu bringen, wenn auch nicht auf
die Art, wie eigentlich beabsichtigt. Ketùn fiel, rollte sich ein und landete
ein paar Schritte weiter auf beiden Beinen. Während der Rolle hatte er sich
gedreht, stand seinem Heerführer nun gegenüber und fixierte ihn mit leicht zusammengekniffenen
Augen. Bao lächelte, stellte sich vor Ketùn und verneigte sich. Der Jüngere
überlegte kurz, richtete sich ebenfalls auf und antwortete mit gleicher
Verbeugung.
Die Lektion war zu Ende.
Danach trainierten sie noch ein paar Abfolgen und
machten sich, als es dunkel wurde, auf den Weg in ihre Quartiere.
„Vielen Dank für die Belehrung. Ich habe es verstanden.“
Ketùn verneigte sich vor Bao.
„Es war nicht nur deine Belehrung. Ich
hoffe, das ist dir bewusst.“
Ketùn nickte und verschwand in die Nacht.
Eine Woche später ritten die beiden Männer gen Westen,
um den Informanten aus dem Nachbarreich zu treffen. Es war Ketùns erster
Einsatz außerhalb der Stadt Qin und er war ziemlich aufgeregt.
Nach einigen Tagen zu Pferd gelangten sie an die
Grenze zu Xia – ein Bach, der aus den Bergen niederrauschte und hier langsam
zur Ruhe kam. Auf der anderen Seite sahen sie ein herrenloses Pferd, das am
Ufer stand und seinen Durst löschte. Etwas abseits saß ein Mann, der sich
erhob, als Bao und Ketùn ihre Pferde an einer seichten Stelle etwas weiter
flussabwärts durch das Wasser trieben.
„Ihr seid spät.“ Der Spitzel aus Xia war auf sie
zugekommen, und blickte zu ihnen hinauf.
Bao saß ab. „Aber nun sind wir da. Was habt Ihr
für Neuigkeiten?“
„Seltsames geht vor sich. Wir bekommen unseren Kaiser
kaum mehr zu Gesicht.“ Die Stimme des Mannes klang ein wenig bekümmert, um
nicht zu sagen besorgt.
Bao kniff die Augen leicht zusammen. „Was meint
Ihr damit?“
„Stets spricht nur der Kanzler.“
„Was ist das für ein Mann?“
Der Unbekannte zuckte mit den Schultern. „Es ist
der Gleiche, wie schon unter unserem alten Kaiser. Wir können nicht unzufrieden
mit ihm sein. Doch an unseren Kaiser kommt man nur noch sehr schwer heran.“
„Was ist mit meinen Briefen? Gelangen diese zu Li
Yuanhao?“
Abermals zuckte der Informant mit den Schultern.
„Kann man schlecht sagen. Wir gehen schon davon aus. – Ich habe auch heute
wieder eine Nachricht für Euch.“ Er stand auf und ging zu seiner Satteltasche.
Heraus zog er eine Rolle, die er Bao übergab. „Hier.“
Bao nahm sie entgegen und öffnete sie vor Ort. Mit
ernster Miene las er die Zeilen und rollte das Papier danach wieder zusammen.
„Es ist immer der gleiche Tenor. Sie sind nicht interessiert an einer
Vereinigung mit den Song. Aber sie nennen keine Gründe.“ Bao blickte in die
Ferne und schien zu überlegen. Dann sah er seinen Kontaktmann an: „Schafft Ihr
es, persönlich vor den Kaiser zu treten? Ich meine: Könnt Ihr ihm einen Brief
von mir persönlich überreichen?“
Der Mann verzog den Mund und wirkte skeptisch.
„Ich fürchte, das wird schwierig, aber ich versuche es gerne.“
„Ich kann doch mitkommen, Herr“, schlug Ketùn vor.
„Als ein Gesandter.“
Bao sah seinen Schüler überrascht an. „Das würdest
du tun? Freilich wäre das eine gute Gelegenheit, den Kaiser persönlich sprechen
zu können. Aber du kannst unseren Mann hier nicht in Gefahr bringen. Wenn, dann
reist du alleine. Als offizieller Gesandter.
Der Strohmann nickte zustimmend.
Bao erhob sich und suchte in seiner Satteltasche
nach Schreibutensilien. Er hatte sie nicht mitgebacht. „Ketùn, du wirst für
mich sprechen müssen, fürchte ich. – Erkläre dem Kaiser, dass wir an einer friedlichen Vereinigung interessiert sind, die natürlich mit Verhandlungen verbunden ist,
damit es von beiden Seiten von Vorteil ist. Sag ihm, dass ich gerne bereit bin,
mich mit ihm zu treffen. Sag ihm, ich sei handlungsbefugt und würde mich
freuen, wenn er einem ersten Treffen zustimmen würde.“
Ketùn prägte sich alles gut ein und stieg auf sein
Pferd.
„Ich erwarte dich zum nächsten Neumond zurück“,
rief Bao ihm hinterher und winkte zum Abschied.
Doch Ketùn hatte keinen Erfolg. Er wurde nicht einmal
zu Li Yuanhao vorgelassen. Stattdessen stand er vor dessen Kanzler, der ihm
erklärte, dass Xia an keiner Vereinigung – wie auch immer geartet –
interessiert sei. Man sei mit der
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