Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)
Wer sind
diese Menschen und was wird mit ihnen geschehen? Und warum habt Ihr mich
gerettet?“
„Du bist quasi aus Versehen dem Kanzler in die
Fänge geraten. Er ist gerade dabei, dem Volk die Möglichkeit zu bieten,
sich in die Gemeinschaft einzubringen .“ Ihre Worte klangen angewidert.
„Eigentlich sollten die Soldaten nur Männer rekrutieren, aber offensichtlich
nehmen sie es bei der Auswahl der Arbeitskräfte nicht so genau.“ Suan-Jen hatte
mehr zu sich selbst gesprochen und starrte ins Leere. Dann ging ein Ruck durch
ihren Körper. Wahrscheinlich wurde ihr gerade bewusst, wie offen sie sich mir
gezeigt hatte. Ihre Gesichtszüge verhärteten sich und die Freundliche von eben
war wieder hinter der Maske der Ehrwürdigen Frau verschwunden. „Fühle dich
geehrt, dass ich dir half“, sagte sie barsch. „Es wird der Tag kommen, an dem
du deine Schuld begleichen kannst. Und nun geh!“
Ich verbeugte mich und wollte mich entfernen.
„Und noch eins“, rief Suan-Jen mich zurück, „pass
besser auf dich auf. Meine Diener können nicht immer ein Auge auf dich haben.“
„Ich danke Euch.“ Erneut verbeugte ich mich und
als ich mich wieder aufrichtete, war die Ehrwürdige Hauptfrau verschwunden.
Niemandem erzählte ich von dieser Begegnung. Die Frauen
hätten es ohnehin nicht geglaubt.
Als die ersten warmen Tage wieder zurück gekehrt waren,
machte sich ein großer Tross Richtung Osten auf. Die Ehrwürdige Hauptfrau und
ihre vier neuen Zofen verließen Dongjing und würden vor dem nächsten Jahr nicht
zurückkehren.
In der Bevölkerung aber verbreitete sich rasend
schnell die Geschichte der Reitenden Kaiserin , die ihr Leben aufs Spiel
gesetzt hatte, um gewöhnliche Frauen vor der Zwangsarbeit zu retten. Wenn
Shenzong davon erfahren hatte, so ließ er es sich nicht anmerken. Ich durfte
weiterhin ausreiten, wie es mir gefiel.
15 Lektion am Nachmittag
Qin, Frühling 1073
Bao saß über Briefe gebeugt in seinem Quartier und
studierte die neuesten Erkenntnisse. Er hatte Neuigkeiten aus dem Reiche Xia
erhalten, die ihn zuversichtlich stimmten, kriegerische Auseinandersetzungen
vermeiden zu können. Sein Informant hatte ihn um ein Treffen nahe der Grenze
gebeten, um Näheres besprechen zu können. Schon in wenigen Tagen würde er mit
seinem engsten Vertrauten Fong Ketùn aufbrechen.
Er hatte Ketùn schon lange in seiner Elite-Einheit
und er war ein herausragender Schüler. Manchmal kam es Bao vor, als sehe er
sich selbst in jungen Jahren wieder, und er erkannte in ihm den Willen und das
Herz, das man benötigte, um ein guter und ehrenvoller Kämpfer zu sein. Im Laufe
der Zeit hatte Ketùn sich mit seiner Disziplin und seinem Wissensdurst Baos
Respekt und später sein Vertrauen erarbeitet. Man konnte beinahe sagen, er war
eine Art Freund geworden, wenn auch die Verbindung zwischen ihnen noch neu und
zerbrechlich war.
Eine andere Nachricht kam von Wang Anshi. Dieser
hielt ihn mit regelmäßigen Briefen auf dem neuesten Stand.
„… hast Du natürlich alle Freiheiten, die Dinge
in die Wege zu leiten, die sich ergeben. Hier in Dongjing läuft alles gut
soweit. Meine Reformanstöße zeigen erste Früchte, im wahrsten Sinne des Wortes.
Die Ernte des letzten Jahres dürfte weitaus höher ausfallen, nachdem bereits
letztes Jahr zahlreiche Darlehen an die Bauern ausgegeben werden konnten. Viel mehr
Saatgut ist verkauft worden und der Bedarf an Arbeitskräften ist derart
gesteigert, dass wir kaum genügend Helfer finden, die die Saat ausbringen und
den Bauern zur Hand gehen bei der Ernte. Shenzong sucht nun die benötigten Arbeitskräfte
unter den Leibeigenen, so dass sie effizienter eingesetzt werden können. Nun,
nicht jeder ist damit einverstanden, aber so lange es dem Wohle des Volkes
dient… “
Bao sah von den Zeilen auf und blickte
nachdenklich in die Ferne. Jetzt, da er dies hier las, erinnerte er sich vage
an einen Traum der letzten Nächte. Menschen waren in einem Lager zusammen
getrieben worden und Min-Tao hatte sich unter ihnen befunden. Er war aus dem
Schlaf geschreckt und konnte im ersten Moment seine wirren Gedanken kaum
ordnen. Dann aber war er wieder in den Schlaf gesunken und mit ihm die Bilder
seiner Geliebten. Wie es ihr wohl ging? Er hatte schon lange nichts mehr gehört
und auch Wang Anshi berichtete nichts mehr von den Frauen.
Bao überflog den Rest des Briefes und fand keine
nennenswerten Neuigkeiten mehr.
„Herr, es ist Zeit für unsere Übungen.“
Bao
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