Die Geliebte des Malers
farblose Kreatur mit einem Überbiss. Soll ich das Verdeck schließen?«
»Nein, lass es nur offen.« Cassidy ließ sich in die Polster sinken, während sie Colin zuschaute, wie er die Motorhaube umrundete. Aschenbrödel hat keine so schicke Kutsche gehabt, dachte sie und musste lächeln. »Ich dachte, du übernimmst keine Aufträge und malst nur, was dich interessiert.«
»Vince gehört zu den wenigen Menschen, denen ich eine Bitte nicht abschlagen kann.« Der Motor des Ferrari röhrte auf, an ihren Füßen konnte Cassidy das leichte Vibrieren spüren.
»Weißt du eigentlich, dass du mit dem Geld, das dieser Wagen kostet, in New Jersey ein Einfamilienhaus kaufen kannst? Mit drei Schlafzimmern, einem Carport und einem Pool im Vorgarten.«
Mit einem Grinsen fuhr Colin an. »Ich würde einen lausigen Nachbarn abgeben.«
Er lenkte den Wagen souverän durch die Stadt. Sie fuhren um den Golden Gate Park herum und mieden das Labyrinth der Autobahnen. Colin nahm die Seitenstraßen, fuhr durch ruhige Gassen und reihte sich gekonnt in den Verkehr ein.
Cassidy nahm den Duft der Blumen wahr, die die Straßenhändler an ihren Ständen verkauften, und hörte die Messingglocke der Straßenbahn. Wenn sie den Kopf in den Nacken legte, dann sah sie an den schlanken Wolkenkratzern hoch. »Wohin fahren wir?«, fragte sie. Doch eigentlich war es ihr gleich. Es reichte ihr, die Brise über ihre Wangen streichen zu fühlen und mit Colin zusammen zu sein.
»Essen«, antwortete er knapp. »Ich komme bereits um vor Hunger.«
Cassidy wandte ihm das Gesicht zu. »Für einen Iren bist du nicht unbedingt gesprächig. Sieh nur.« Sie setzte sich gerade auf und zeigte mit dem Arm. »Der Nebel zieht landeinwärts.«
Die grauen Dunstschleier hingen schon über der Bucht, verschluckten die Brücke mit erstaunlicher Geschwindigkeit. Cassidy schaute fasziniert zu. Jetzt staken nur noch die Pfeiler der Golden Gate Bridge aus der grauen Wand heraus.
»Heute Nacht werden die Nebelhörner zu hören sein«, murmelte sie und sah wieder zu Colin hin. »Ich liebe dieses Tuten, obwohl es mich immer traurig macht. Ich weiß auch nicht, warum.«
»Welche Geräusche machen dich glücklich?« Er warf ihr einen Blick von der Seite zu, und sie strich sich eine vorwitzige Strähne aus dem Gesicht.
»Das Knallen von Popcorn«, antwortete sie impulsiv und lachte leise über sich selbst.
Sie lehnte den Kopf zurück und schaute in den Himmel auf. Er war strahlend blau. Welche andere Stadt kann schon gleichzeitig mit hereinziehendem Nebel und einem strahlend blauen Himmel aufwarten? fragte sie sich stumm. Als Colin anhielt, ließ sie den Blick umherwandern, und schließlich entschlüpfte ihr ein leises »Oh«, als sie die Gegend erkannte. Sie waren in Nob Hill, einem der vornehmsten Viertel der Stadt. Cassidy hatte gar nicht darauf geachtet, wohin sie gefahren waren. Und jetzt standen sie vor dem glanzvollen Nob Hill Hotel.
Die Beifahrertür wurde von einem livrierten Hotelangestellten aufgezogen. Er bot Cassidy die Hand, um ihr beim Aussteigen behilflich zu sein. Cassidy wartete, bis Colin dem Mann einen Geldschein zugesteckt hatte und an ihre Seite trat.
»Isst du gern Meeresfrüchte?« Er nahm sie bei der Hand und ging mit ihr auf den Eingang zu.
»Ja, ich …«
»Gut. Die Küche hier ist nämlich beispiellos.«
»Davon habe ich schon gehört«, murmelte Cassidy.
Mit nur wenigen Schritten betrat sie eine Welt, von der sie bisher nur gelesen hatte. Das Restaurant war grandios. Von der vertäfelten Decke hingen verschwenderische Kristalllüster, in denen sich das Licht brach. Auf dickem Teppich standen exquisit mit weißem Leinen und Tafelsilber gedeckte Tische. Der Mâitre d’hotel war sofort bei ihnen, und als Colin den Restaurantleiter mit Vornamen ansprach, da wurde Cassidy auch klar, dass ihr Maler hier kein Unbekannter war.
Sie wurden zu einer intimen Nische geführt, die sie zwar von neugierigen Blicken abschirmte, dennoch aber den Blick auf den prächtigen Raum ermöglichte. Jeffs Cheeseburger schien Lichtjahre zurückzuliegen. Nachdem Cassidy sich umgesehen hatte, soweit es die Höflichkeit ihrer Meinung nach erlaubte, wandte sie sich lächelnd an Colin.
»Sieht aus, als würde ich tatsächlich etwas Besseres als Tacos bekommen.«
»Ich halte mein Wort«, sagte Colin schlicht. »Deshalb gebe ich es auch so selten wie möglich. Wein?«, fragte er und nutzte sein meisterhaftes charmantes Lächeln. »Du siehst nicht aus wie der
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