Die Geliebte des Malers
Cocktail-Typ.«
»Nicht?« Sie neigte fragend den Kopf zur Seite. »Und wieso nicht?«
»Diese großen violetten Augen blicken zu unschuldig drein.« Mit einer Hand strich er ihr das Haar über die Schulter zurück. »Fast hätte ich Lust, etwas so Barbarisches zu tun und den Wein mit Wasser zu verdünnen.«
Ein Kellner im schwarzen Anzug tauchte respektvoll abwartend an Colins Seite auf.
»Eine Flasche 1989er Château Haut-Brion«, bestellte er, ohne den Blick von Cassidy zu nehmen. Der Kellner deutete eine leichte Verbeugung an und zog sich lautlos zurück. Cassidy sah dem Mann nach, dann erlaubte sie sich einen weiteren Blick durch das Restaurant. Sie wollte jedes Detail in sich aufnehmen. »Daran, wie dein Schreibtisch aussah«, hob Colin jetzt an, »konnte ich erkennen, dass du gearbeitet hast. Geht es gut voran?«
Erstaunt richtete Cassidy den Blick auf ihn. Er schien mehr zu sehen, als sie ihm zutraute. »Ja, ich glaube schon. Die Teilchen fügen sich gerade perfekt ineinander. Leider hält das nicht lange an, aber diese Phasen sind immer sehr produktiv. Geht dir das auch so?«
»Ja. Es gibt Zeiten, da erschafft sich das Gemälde praktisch von allein, alles fließt. Und dann wiederum kratze ich ständig Farbe von der Leinwand ab und muss neu anfangen.« Ein Lächeln umspielte seine Lippen, als er mit den Fingern über ihr Handgelenk streichelte. »Du reißt stattdessen wahrscheinlich die Seiten in kleine Fetzen, könnte ich mir denken.«
Der Kellner kehrte mit der Weinflasche an den Tisch zurück, und das Ritual des Entkorkens und Kostens begann. Cassidy war dankbar für die Ablenkung und schwieg. Bei Colins harmloser Berührung war ihr Puls in die Höhe geschnellt, sie konnte die Zeit brauchen, damit sich ihr Herzschlag wieder beruhigte. Als ihr Glas gefüllt war, hatte sie sich wieder so weit unter Kontrolle, dass sie mit völlig ruhiger Hand danach greifen und daran nippen konnte. Der Wein war kühl und schmeckte köstlich.
»Sagt er dir zu?«, fragte Colin, der ihre Bewegungen genau beobachtet hatte.
Cassidy lächelte mit den Augen. »Ich könnte mich daran gewöhnen.«
»Erzähl mir, woran du gerade schreibst.« Auch er trank von dem Wein, aber seine freie Hand legte er auf ihre.
»Der Roman erzählt die Geschichte von zwei Menschen, von dem Leben, das sie gemeinsam führen, und von ihrer jeweiligen individuellen Welt.«
»Eine Liebesgeschichte?«
»Ja. Eine sehr komplexe.« Mit einem leichten Stirnrunzeln sah sie auf ihre verschränkten Hände, dann hob sie den Blick wieder zu Colins Gesicht. Die Flammen der Kerzen ließen goldene Pünktchen in ihren violetten Augen tanzen. Cassidy erinnerte sich daran, dass sie den Moment genießen wollte, ohne an das Morgen zu denken. Lächelnd hob sie das Glas an die Lippen. »Die beiden sind schwer zu packende Charaktere, manchmal gelingt es ihnen, sich mir komplett zu entziehen. In beiden brennt der Wunsch, für sich allein zu bleiben, und doch zieht es sie immer wieder zueinander hin. Ich würde gern glauben, dass die Liebe es ihnen erlaubt, auch zusammen weiterhin Individuen zu bleiben.«
»Die Liebe hat ihre eigenen Regeln.« Er strich über ihre Fingerknöchel, hinunter zu ihren Nägeln, wieder zurück zu ihrem Handrücken. Die schlichte Geste ließ ihr Herz schneller schlagen. »Wird es ein Happy End für die beiden geben?«
Cassidy erlaubte es sich, in das Blau seiner Augen einzutauchen. »Möglicherweise«, murmelte sie. »Ihr Schicksal liegt in meinen Händen.«
Die Augen mit ihren verhakt, führte er ihre Hand an seine Lippen. »Und heute Abend«, fragte er leise, »liegt da dein Schicksal in meinen Händen?«
Sie schaute ihn unverwandt an, das Violett ihrer Augen wurde dunkler. »Für heute Abend«, stimmte sie zu.
Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, das Lächeln eines Freibeuters. Er hob sein Glas und prostete ihr zu. »Dann auf den langen wunderbaren Abend, der vor uns liegt.«
Es wurde ein ausgedehntes und luxuriöses Mahl. Nach mehreren Gängen saßen Cassidy und Colin noch lange über dem abschließenden Kaffee. Cassidy genoss jeden einzelnen Moment. Wenn sie nur diesen einen Abend mit dem Mann hatte, dann würde sie jede einzelne Sekunde auskosten. Vielleicht würde es ihr ja sogar gelingen, allein mit ihrer Willenskraft die Zeiger der Uhr anzuhalten …
Die Kerzen waren fast heruntergebrannt, als sie vom Tisch aufstanden. Cassidys Hand fand wie selbstverständlich den Weg in Colins. Sie waren schon in der
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