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Die Geliebte des Normannen

Die Geliebte des Normannen

Titel: Die Geliebte des Normannen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Joyce
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als würde sie an dem, was sie für ihn tat, und an der Lust, die sie ihm bereitete, Freude finden. Es hatte den Anschein gehabt, als sei sie ihm wirklich zugetan. Es hatte fast den Anschein gehabt, als liebte sie ihn.
    Stephen lachte laut heraus, es war ein bitteres, selbstironisches Lachen. Vielleicht war er der schwache, liebestrunkene Narr, für den sie ihn gehalten hatte. Seine Gemahlin liebte ihn nicht.
    Es war alles ein Trick von ihr gewesen; eine andere Erklärung gab es nicht. Sich um seine Kleidung und seine Mahlzeiten zu kümmern, ja sogar seine Launen vorauszusehen, sich mit der Leidenschaft einer Dirne zu ihm zu legen und ihn dann auszuspionieren, wenn er in einer Besprechung wegen des Krieges saß – das konnte nur bedeuten, dass sie ihr Tun als seine Gemahlin nicht ernst gemeint hatte.
    Er schritt über das stinkende Schlachtfeld und betrat sein Zelt. Es war dieser Akt der Täuschung, seine perfekte Gemahlin zu spielen, der ihn verfolgte. Das, und nicht etwa der Akt des Verrats, das Ausspionieren seiner Person und seiner Familie, war der Grund für seine eisige Wut.
    Er hätte es wissen müssen. Mary hatte ihn wiederholt belogen, vom ersten Moment an, und von eben diesem Moment an war sie in ihrer Treue zu ihrem Land und ihren Leuten unerschütterlich gewesen. Er hätte wissen müssen, dass sie sich nicht ändern würde, dass sie ihre Haltung gar nicht ändern konnte, dass aus dem Biest niemals eine liebevolle und zärtliche Gemahlin werden konnte. Er hätte wissen müssen, dass es ein abscheulicher Akt war. Hätte sie ihm nach der Hochzeit weiterhin öffentlich die Stirn geboten und dann zu spionieren gewagt, dann hätte er ihr vielleicht verziehen. Das hätte er zumindest verstanden, ja, er hätte es womöglich sogar respektiert. Doch sie hatte sich auf ein gefährliches Spiel mit ihm und seinen Gefühlen eingelassen, und das war unverzeihlich.
    Nun, da er Bescheid wusste, würde er natürlich vorsichtiger sein. Sie würde keine Gelegenheit bekommen, noch einmal zu spionieren oder gar Schlimmeres zu treiben. Sie würde seine Gemahlin bleiben, seinen Haushalt führen und sich um seine Bedürfnisse kümmern. Er würde ihr Kinder schenken; sie würde sie austragen und aufziehen. Ja, sie würde seine Gemahlin sein in ihrem Tun – aber nicht auf andere Weise, nicht in seinem Herzen. Niemals konnte eine solche Frau einen Platz in seinem Herzen bekommen. Und das Schlimmste war, dass er sich gerade, bevor er ihre Täuschung und ihre Heimtücke entdeckte, in sie verliebt hatte.
    Stephen wusste, dass er diese Nacht kaum Schlaf finden konnte. Nun, da der Krieg ihn nicht mehr so beschäftigte, würde es unmöglich sein, seine verräterische Gemahlin aus seinen Gedanken zu verdrängen. Hätte sie nur geleugnet, was sie getan hatte. Hätte sie nur ...
    Er war ein Mann, der sich mit der Wirklichkeit befasste; er durfte sich nicht nach Illusionen sehnen. Morgen würde er nach Alnwick zurückkehren. Einst war dieser Gedanke mit Freude und Erleichterung verbunden gewesen, doch diese Zeiten schienen endgültig vorbei zu sein. Er legte sich in voller Kleidung auf sein Lager und dachte an die Begrüßung, die ihn morgen erwartete, an seine Heimkehr zu einer Frau, die wegen ihrer Stellung in seinem Haus ein gefährlicherer Gegner war als alle, denen er je auf dem Schlachtfeld gegenübergestanden hatte. Gott, er war müde. Der Politik und der Intrigen so überdrüssig. Wie sehr sehnte er sich danach, in offene Arme heimkehren zu können. Stattdessen würde er nach Alnwick zurückkehren, wo Mary ihn erwartete, seine wunderschöne, verräterische Gemahlin.
    Er presste die Wange ins Stroh. Ein Kloß stieg plötzlich in seiner Kehle hoch. Lieber Gott, wenn er der Wahrheit ins Gesicht sah, dann musste er zugeben, dass er sich wieder wie ein sechsjähriger Knabe fühlte, allein und verlassen und sich seinem ersten bitteren Verrat stellend.

20
    Mary saß auf dem Bett und ließ die Beine baumeln, ihr Rücken war gerade, und die Hände ruhten in ihrem Schoß. Die Haare hatte sie so gut es ging mit den Fingern durchgekämmt, neu geflochten und dann den Schleier wieder angelegt. Leider hatte sie kein frisches Kleid zum Anziehen, aber mit dem Wasser, das ihr täglich gebracht wurde, hatte sie sich etwas waschen können.
    Sie hoffte, einigermaßen gut auszusehen, und versuchte, gefasst und würdevoll zu erscheinen. Für den Fall, dass Stephen direkt zu ihr kommen sollte.
    Er war vor einigen Minuten mit seinen Männern in den Burghof

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