Die Geliebte des Normannen
gegen ihn ankämpfen zu können?
»Ihr werdet mich nicht besiegen, Demoiselle, sondern höchstens uns beide ermüden. Unnötigerweise. Kommt, nehmt, was ich Euch anbiete.«
Mary schaute von seinen schön geformten Lippen zu dem Brot, das er auf seinen Dolch aufgespießt hatte und ihr darbot. Sie weigerte sich, es anzunehmen, wie sie sich auch wei gerte, ihn zu akzeptieren. Aber, liebe Mutter Gottes, er machte ihr Angst; er war so machtvoll, sie konnte sich nicht wirklich vorstellen, dass er nicht bei allem, wozu er sich entschloss, Erfolg haben würde. Und nun schien er entschlossen, sie zu heiraten.
Aber Malcolm war ebenfalls mächtig. Mary schauderte bei dem Gedanken an das Treffen, das bald zwischen den beiden Männern stattfinden musste, eine feindselige Begegnung, die sehr wahrscheinlich in einer gewalttätigen Auseinandersetzung enden würde.
Was würde danach mit ihr geschehen?
»Ich werde dich trotzdem heiraten, ma chère«, hatte er gesagt.
Eine plötzliche Hoffnungslosigkeit überkam Mary.
»Könnt Ihr Euch nicht mit einem Lösegeld zufriedengeben?«, hörte sie sich sagen.
Stephen antwortete nicht sofort. Er hielt ihr erneut den Dolch entgegen, dieses Mal mit einem Stück kalten Fasans. Mary blickte ihm in die Augen. Er behandelte sie, wie er seine Verlobte, seine Braut oder seine Gemahlin behandeln würde. Schlimmer noch als seine so galante wie verwirrende Ritterlichkeit empfand sie die Intensität der Gefühle, die sie dahinter spürte und die sich in seinen dunklen Augen zeigte. Wie konnte sie ihn jemals überlisten, wenn er sie dermaßen leicht aus der Fassung brachte?
Stephen seufzte und legte das Stück Fasan beiseite.
»Nein, das werde ich nicht. Ich kann es nicht.«
Mary starrte ins Leere. Seine Worte standen zwischen ihnen. Sie spürte ihre Bedeutung, doch sie fürchtete sich davor, sie zu begreifen. Es lag ihm also sicher nicht wenig an ihr. Für einen kurzen Augenblick wagte sie es, sich unerlaubten Träumen hinzugeben.
Sie schüttelte sich, um sich von diesem Moment der Verrücktheit zu befreien.
»Ihr werdet einen Krieg beginnen.«
Stephen hielt das Messer an ihre Lippen. Marys Worte erstarben. Die Klinge war lang und scharf. Noch ehe sie es richtig mitbekam, war der Fasan in ihrem Mund, und sie kaute – und er hatte sie nicht verletzt. Dann spießte er ein Stück Lammfleisch auf.
»Ich habe nicht vor, einen Krieg zu beginnen«, murmelte er. »Ich habe lange für diesen Frieden gearbeitet.«
Mary verschluckte sich fast, als sie das hörte.
Stephens Blick verdunkelte sich.
»Was ist so amüsant, Demoiselle?«
»Als ob Ihr das nicht wüsstet!«, platzte sie heraus. »Ihr – ein de Warenne – an Frieden interessiert! Ihr müsst mich wirklich für vollkommen töricht halten.«
Er musterte sie.
»Was glaubt Ihr denn, was mich interessiert? Abgesehen von Eurem schönen Körper?«
Mary errötete. Er war gefährlich gereizt. »Warum wollt Ihr, dass ich sage, was die ganze Welt ohnehin weiß?«
»Sprecht.« Sein Lächeln blitzte gefährlich auf. Auch sein Messer blitzte, als er das Lammfleisch den Hunden vorwarf, die knurrend darüber herfielen. »Was weiß die ganze Welt über Stephen de Warenne? Was wisst Ihr?«
Mary zitterte. »Ich weiß von Eurem Ehrgeiz«, antwortete sie schließlich, unfähig, der Versuchung zu widerstehen. Seine Augen wurden schwarz.
»Ah, mein beängstigender Ehrgeiz.«
»Er ist beängstigend! Denn er beherrscht Euer ganzes Tun. Ich weiß, dass der Frieden Euer letztes Anliegen ist, und dass Ihr, wenn Ihr es könntet, Euren Sohn auf den Thron meines Vaters setzen würdet!«
Stephen jagte den Dolch in die Tischplatte und sprang auf. Die Klinge zitterte, im Saal wurde es still. Mary wurde bleich, doch sie hielt stand. Jahrelang hatte ihr Vater Northumberland beschuldigt, noch mehr von Schottland zu begehren, als es ohnehin bereits besaß. Sie hatte nur die Wahrheit gesagt. » Unser Sohn!«, erklärte Stephen mit funkelndem Blick. »Es wird nicht mein Sohn sein, sondern unserer.«
Mary konnte sich nur die trockenen Lippen befeuchten. Er war wirklich beängstigend.
»Ihr seid nicht so klug, wie Ihr meint, Demoiselle«, fuhr er über sie gebeugt fort. »Ich will Euer erbärmliches Land nicht, das ohnehin nur von Dutzenden sich bekriegender Clans bevölkert ist. Ich will lediglich Frieden.«
Mary enthielt sich klug jeder spöttischen Bemerkung. »Aber es ist mir gleichgültig, was Ihr denkt, jetzt wie auch später, wenn Ihr meine Gemahlin
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