Die Geliebte des Normannen
seltsam.
»Ja, Canmores Tochter. Ist sie hübsch?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Rolfe langsam und fragte sich, worauf Rufus hinauswollte.
Der König zuckte unvermittelt die Schultern.
»Es gibt wohl keine schönere Frau als Adele Beaufort. Und er war von ihr nicht gerade hingerissen.«
Rolfe sagte nichts. Dazu gab es nichts zu sagen. Ob Stephen seine Braut hübsch fand oder nicht, war völlig unwichtig.
Rufus lächelte spöttisch.
»Genug. Diese Idee verdient Unterstützung – und ich werde sie unterstützen.«
Rolfe nickte und verbeugte sich leicht.
»Mehr kann ich nicht erbitten, Sire.«
Als er das Gemach des Königs verlassen hatte, lächelte er. Und wenig später hatte er bereits einen Boten nach Norden geschickt, der im gestreckten Galopp zu Malcolm Canmore unterwegs war.
10
Es war eine List.
Mary wusste, dass es eine List war. Als sie sich endlich beruhigt hatte, dachte sie sehr sorgfältig über die ganze Situation nach. Malcolm liebte sie. Sie glaubte nicht, dass er zuließe, sie mit einem unehelichen Bastard zu brandmarken. Ebenso wenig konnte sie sich vorstellen, dass er sie dem Feind überließe, ohne zu wissen, ob sie schwanger war oder nicht. Dafür hasste er die Normannen einfach zu sehr.
Das, was sie gehört hatte, diese offensichtliche Abmachung, schien Teil dieser sehr klugen List zu sein.
Mary schlang die Arme um ihren Körper. Die Nacht war kühl, aber auch in ihrem Herzen herrschte eine schreckliche Kälte. Trotz ihrer Gewissheit.
Der Mond ging auf, voll und weiß. Sie beobachtete, wie er stieg, wie sich der Himmel perlmuttfarben tönte. Als Begleiter gingen tausend Sterne auf, und im Gemach tanzte silbernes Mondlicht. Sie stand am Fensterschlitz und starrte in die Nacht, ohne wirklich etwas zu sehen.
Isobel schlief tief und fest im Bett hinter ihr, das sie teilten. Die Sterne schienen sich einzutrüben und ihr Leuchten zu verlieren.
Hätte sie doch nur eine Gelegenheit gehabt, allein mit ihrem Vater zu reden. Hätte er sie doch nur beiseite genommen, hätte er sie doch nur getröstet, sie seiner Liebe versichert und ihr diese List erklärt!
Aber er hatte es nicht getan. Er vertraute ihr, er wusste, dass sie treu und klug war, so wie sie ihm vertraute, die Normannen letztlich zu überlisten. Niemand war so geschickt darin, die Normannen zu überlisten, wie ihr Vater. Er kämpfte nun seit fast zwanzig Jahren gegen sie, mit Zähnen und Klauen, und narrte sie, wie er es musste, um zu überleben und Schottland zu sichern. So wie er im Augenblick Stephen de Warenne täuschte.
Nur das konnte erklären, weshalb Stephen wahrhaftig glaubte, dass ihre Heirat auf einer politischen Verbindung beruhte: Er musste übertölpelt worden sein.
Mary sammelte sich und wischte mit dem Ärmel eine Träne ab. Es gab keinen wirklichen Grund für Tränen. Sie musste stark sein, sie musste von Tag zu Tag überleben, so gut sie konnte, mit Stolz und Würde, und sie durfte kein Kind von ihm bekommen.
Es war schon spät, doch der, der sie gefangengenommen hatte, war noch immer unten. An diesem Abend war der Saal sehr zu Marys Entsetzen ungewöhnlich festlich gewesen. Die Männer hatten lärmend gezecht, offenbar, um den offensichtlichen Erfolg ihres Lords zu feiern. Im Lauf des Abends hatten sie immer mehr gelallt. Nun lag der Saal in Stille; alle schliefen.
Bis auf Stephen. Mary konnte sich ihn nicht betrunken vorstellen, doch in dieser Nacht musste auch er sehr tief in den Becher geschaut haben. Das eröffnete ihr eine einmalige Chance. Sicher waren auch Stephens Sinne nicht mehr klar. Bekäme sie jemals eine bessere Gelegenheit, ihn zur Rede zu stellen? Ihn nach den Einzelheiten des Zusammentreffens zwischen ihm und ihrem Vater zu befragen? Sich der Wahrheit zu versichern?
Mary zögerte nicht. Als sie das Gemach verließ, pochte ihr Herz wie wild. Er fand sie begehrenswert. Erzählten die Barden nicht von Männern, die bei gefährlichen Verführerinnen den Verstand verloren? Wäre es nicht besser, eine Verführerin zu sein als eine Unruhestifterin? Traute sie sich eine solche Rolle zu?
Mary versuchte, ihre glühenden Wangen und das Flattern in ihrer Brust zu ignorieren, als sie den Saal betrat. Auf der Schwelle innehaltend, kam ihr der Gedanke, dass sie sich auf ein gefährliches Spiel einließ. Dass sie dabei leicht auf dem Hintern landen konnte, die Röcke um die Ohren.
Sie blickte zitternd um sich. Das Feuer im Kamin glühte noch, und sie stellte fest, dass die Gefolgsleute im Saal alle
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