Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)
lachten. Gleich darauf aber beugte sie sich erstaunt hinab. Wie schwer die Schritte herauf-schallten, gar nicht wie die des leichtfüßigen jungen Menschen. Schwer und langsam, als ob jemand käme, der eine schwere Last zu tragen hätte.
Rosalie sprang ein paar Stufen hinunter. Dann, als sie den nächsten Treppenabsatz übersehen konnte, schlug sie vor Erstaunen in die Hände und schrie vor Freude laut auf.
Nein, das war nicht Herr Armand, der da so schwerfällig heraufkeuchte, das war der Vater, Vater Jean, wie er leibte und lebte — Vater Jean, dem die unbekannten hohen Schlosstreppen höllisch sauer ankamen — und der gebeugten Nackens einen großen Korb mit Blumen vor sich her schleppte.
In drei Sprüngen war Rosalie bei ihm und hätte ihm mit ihrer stürmischen Umarmung beinahe die schöne Last aus den Händen geworfen.
„Vater Jean, Vater Jean —”, rief sie außer sich vor Freude und umhalste und küsste den alten Mann, den sie seit dem Abschied von La Vallière nicht wiedergesehen hatte.
Gilbert hatte den schweren Korb auf die Treppe gestellt.
„Ja, da bin ich, mein Töchterchen”, prustete der Alte und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Muss doch endlich mal nachsehen, wie's dem Kind geht und dem lieben Fräulein Louise!”
Er tätschelte Rosalie die frischen Wangen. „Brav gehalten, kleine Rosalie?”
Rosalie lachte, dass ihre weißen Zähne zwischen den frischen Lippen blitzten.
„Ei freilich, Vater”, und drollig feierlich fügte sie hinzu: „Wir sind ja doch bei Hofe!”
„Nun, nun, das wäre eben kein Grund — eher das Gegenteil!”
Aber rasch besann er sich, wo er war, und legte den Finger auf den Mund.
Rosalie hatte den Korb ergriffen und lief leichtfüßig dem Vater voran. Ehe das Mädchen die Tür aufklinkte, hielt Jean Gilbert sie noch einmal zurück.
„Du, höre, Rosalie, ich bringe eine große Neuigkeit. Weißt du, wer mich, samt meinem Korb, in seinem Wagen mitgenommen hat und gleich hier sein wird?”
Rosalie zuckte die runden Schultern. Der alte Gärtner lächelte pfiffig.
„Eine Überraschung für das Fräulein — nichts verraten, Töchterchen — der Herr Graf von Bragelonne!” Rosalie tanzte vor Vergnügen.
„Die ganze Touraine kommt zu uns auf Besuch! Da will ich gleich Pasteten und Zuckerwerk holen gehen.
Früchte haben wir noch einen ganzen Haufen, die hat Herr Le Nôtre am vorigen Sonntag geschickt.”
„Herr Le Nôtre?”, fragte der Alte ehrfürchtig. „So vornehm seid ihr?”
„Noch viel vornehmer, Väterchen! Grafen und Herzöge, Marquis und Dichter, vornehmer als alle zusammen, kommen zu uns.”
Nun klinkte sie aber doch die Tür auf und lief zu ihrem Fräulein, ihr die große Neuigkeit von Vater Jeans Besuch mitzuteilen.
Louise war gerade mit einem langen Brief an Frau von Fleuvigny beschäftigt, nach deren Rat sie jetzt oft eine unüberwindliche Sehnsucht empfand. Hatte der Beichtvater ihr auch Absolution erteilt, Suzettes klugem Weltsinn hätte sie ihre Herzenswirren gern anvertraut.
Bei Rosalies Nachricht sprang sie sofort auf. Ein Besuch aus La Vallière! Wie traut der Name ihrem Ohr klang! Wie weit ihr Herz sich in dem Gedanken an die Heimat öffnete!
Während sie aufsprang, fühlte sie Rosalies Hände an ihrem Nacken.
„Was machst du denn, Rosalie?”
„Ich schmücke Sie nur ein bisschen — für La Vallière!”
Louise fühlte das feine Silberkettchen mit dem Veilchen Bragelonnes an ihrem Hals hängen. Sie seufzte ein wenig gepresst auf, aber sie ließ es, wo es war. Es würde ja niemand als Jean Gilbert zu sehen bekommen.
Rosalie lief zum Zucker- und Pastetenbäcker. Gerade vor dem Schloss, auf dem Place du Palais Royal, traf sie Monsieur Armand, der ein kleines Päckchen in der Hand trug.
Rosalie wollte schmollend an ihm vorüber, aber er hielt sie am Ärmel fest. Treuherzig bat er: „Nicht böse sein, Fräulein Rosalie. Seine Majestät hat mich so lange aufgehalten. Ich hatte eine Kollektion meiner schönsten Taschenuhren mitbringen müssen. Seine Majestät hat die kostbarste gewählt, mit Perlen und Saphiren ausgelegt und einer wundervollen Emaillemalerei.”
Rosalie machte große Augen.
„Für wen ist sie denn bestimmt?”, fragte sie neugierig den hübschen Herrn Armand, der gehorsam neben ihr hertrottete, der nahen Pastetenbäckerei zu.
„Wenn ich das wüsste, Fräulein Rosalie! Ich dachte zuerst an Ihre Majestät die Königin, weil dem König keine Summe zu hoch für die Uhr war. Nun soll ich sie aber
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