Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)
Louise die Lippen zum Abschied auf ihres Knaben zarte Stirn.
Boucher nahm das Kind, wickelte es in Tücher und trug es unter seinem Mantel durch die graue Dämmerung des Gartens des Palais Royal. Gegenüber einer kleinen Ausgangspforte, vor dem Hotel Bouillon, erwartete das Ehepaar Beauchamps, alte treue Diener der Colberts, mit einem Wagen das Neugeborene.
Boucher fuhr mit den Beauchamps zu einer Seitenpforte des Ministerhotels. Colbert und seine Gattin nahmen den Knaben aus den Armen des Arztes entgegen. Gleichzeitig überbrachte Boucher die geheime Order des Königs, den Knaben a Morgen in der Frühe in Saint-Leu auf den Namen Charles taufen zu lassen, als den Sohn des Monsieur de Lincourt und der Mademoiselle Elisabeth de Beux, deren absoluter Verschwiegenheit der König sich versichert hatte.
Als Paten sollten, wie es mit Colbert bereits vereinbart war, das Ehepaar Beauchamps fungieren.
Alle Bitten des Königs, alle Warnungen Bouchers, sich zu schonen, prallten an dem festen Willen der sonst so nachgiebigen Louise ab. Sie hatte nur einen Gedanken: die Geburt ihres Kindes vor der Welt, vor allem vor dem Hofe zu verbergen. Sie zitterte davor, dass ihre Schande bis zur Königin dringen könnte, dass die geliebte Herrscherin in ihrem Stolz, in ihrer immer gleichen Liebe für den König tödlich verletzt werden könnte.
So verließ Louise schon nach wenigen Tagen das Lager und besuchte am 24. Dezember im Gefolge Madames die große Mitternachtsmesse im Blindenhospital, bei der wie alljährlich der ganze Hof versammelt war.
Louise war so tief in Andacht versunken, ihre Seele betete so inbrünstig für den geliebten Mann, für das Wohl ihres armen, elternlosen Kindes, dass sie nichts von dem Raunen und Flüstern um sie her vernahm.
„Kein Zweifel, sie hat entbunden”, flüsterte die Soissons Madame zu.
„Euer königliche Hoheit müssen ja selbst sehen, wie geisterbleich und ganz verändert sie ist.”
Madame war der gleichen Überzeugung.
„Die Königin muss es endlich erfahren”, raunte Olympia fort. „Ich selbst werde es ihr sagen.”
Auch die Damen Madames, denen die Artigny vergebens ein artig erdichtetes Märchen aus dem Palais Brion erzählte, zweifelten keinen Augenblick, dass das Fräulein von La Vallière vor kurzem niedergekommen sei. Die jungen Mädchen gefielen sich darin, diese Tatsache mit allerhand romantischem Beiwerk auszuschmücken, in dem maskierte Persönlichkeiten, untergeschobene und vertauschte Kinder eine bedeutsame Rolle spielten.
Weit und weiter spannen Wahrheit und Dichtung ihre Künste, bis schließlich die Königinnen die Einzigen waren, die nichts davon wussten, dass das Fräulein von La Vallière einem Kind das Leben gegeben hatte, dessen Vater kein geringerer als der König war.
Louise selbst sah und hörte nichts von alledem, was um sie vorging. Sie war wieder ins Palais Royal zurückgekehrt, aber da Madame sie selten befahl, kam sie wenig unter Menschen. War sie aber einmal in Gesellschaft zu sehen, so hielt der schützende Mantel, den des Königs Liebe um sie breitete, Spitzen und Kränkungen, selbst der Gehässigsten, von ihr ab.
Da die Königin jeder Geselligkeit aus dem Wege ging und am liebsten allein mit ihren Gedanken unter den sternverzierten Plafonds des Louvre, in seinen mit Samt ausgeschlagenen Zimmern, im Schutz der schweren, von Perlenschnüren zusammengehaltenen Portieren verweilte, fühlte auch der König sich zu keiner Geselligkeit verpflichtet.
Nur um nicht allzu sehr aufzufallen, frequentierte er dann und wann die Abende Madames. Die meisten freien Stunden aber brachte er bei Louise in den Gemächern des Palais Royal zu, die seine Liebe nach und nach zu einem traulichen Nest gestaltet hatte. Dann erzählte er ihr von den Fortschritten, die die Arbeiten in Versailles und in den Tuilerien machten.
Er spielte ihr auf seiner geliebten Gitarre Lullys und Lamberts neueste Kompositionen vor, die ihm, ohne dass er eine Note kannte, im Gedächtnis geblieben waren, er sprach ihr von seinem Plan, Lully zu Ehren neben der berühmten Kapelle „des vingt-quatre violons du roi” eine neue Bande „Les petits violons” zu gründen.
Ein anderes Mal trieben sie das Italienische miteinander. Louis lehrte die Geliebte die Sprache, die er in seiner Jugend bei Marie Mancini gelernt hatte, bis sein heißes Blut zu feurig auch für diese Nichte Mazarins zu entbrennen begann und der Kardinal das schöne Mädchen aus Frankreich entfernte.
Louise war eine gelehrige
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