Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)
Saint-Germain folgen sollte. Die harten eisigen Worte des Königs in Avesnes waren unvergessen, die Wunde, die sie ihrem Herzen geschlagen hatten, unvernarbt. Beide Hände presste sie auf dies wunde Herz, damit er nicht wissen sollte, wie es um ihn litt.
Vergebens fragte sie sich, was ihn so gewandelt haben könne. Der Name Athenais von Montespan, der schon in so vieler Munde war, war noch nicht an ihr Ohr gedrungen.
Die Liebe zu ihren Kindern, der reizend aufblühenden Marie-Anne, dem Ungeborenen, für das die Fürsorge des Königs noch unentbehrlich war, brachen endlich ihren verletzten Stolz. Sie folgte dem Hof nach Saint-Germain.
Louis war auch jetzt nicht der,'der er gewesen, aber er umgab sie mit den zartesten Aufmerksamkeiten. Er duldete nicht, dass sie gekränkt oder zurückgesetzt wurde, ja er sah mit einem Gemisch von Freuden und Besorgnis, dass die beiden Frauen, um die sein Herz kämpfte, ohne sich noch zu einem Entschluss durchgerungen zu haben, sich mit beinahe freundschaftlichen Gefühlen einander zu nähern schienen.
Athenais von Montespan, die zweite Tochter des Herzogs von Montemart, war vor ihrer Verheiratung, als Fräulein von Tonnay-Charente, schon einmal als Ehrendame Madames am Hof gewesen. Jetzt, nach mehrjähriger Ehe mit dem Marquis von Montespan, war sie von der Königin, die viel für den Charme der amüsanten und lebhaften Frau übrig hatte, in die Reihe ihrer Palastdamen aufgénommen worden.
Man konnte sich schwer einen größeren Gegensatz vorstellen, als Louise von La Vallière und Athenais von Montespan ihn repräsentierten. Louise, ganz sanfte Bescheidenheit, stille Vornehmheit, rührend in ihrer weichen, hingebenden Schönheit. Athenais, von starkem Temperament, nicht zu ermüdender Lebhaftigkeit, witzig auf Kosten anderer, stets geneigt, den Mittelpunkt zu bilden und Aufsehen zu erregen, mehr pikant als schön, mehr äußerer Glanz als innerer Gehalt, mehr Schein als Wahrheit.
Obwohl Frau von Montespan sehr genau wusste, dass des Königs Herz noch immer an Louise von La Vallière hing, näherte sie sich Louise mit förmlicher Leidenschaft. In ihrer Herzenseinsamkeit, in ihrer Furcht vor der Zukunft nahm die Herzogin die ihr gebotene Freundschaft mit Vertrauen entgegen, ohne auf wohlmeinende Warner zu hören. Sie öffnete der neuen Freundin ihre ganze Seele, sprach sich offen über ihre Gewissensnöte, ihre Trauer, die ganze unerschöpfliche Tiefe ihrer Liebe mit ihr aus.
Athenais schien von ganzem Herzen mit der neuen Freundin zu fühlen. Sie beklagte sie und pries sie zugleich um ihrer aufrichtigen Reue halber.
„Meine liebe Herzogin”, sagte sie, den Arm um die hochschwangere Frau, die täglich ihrer Niederkunft entgegensah, geschlungen, „ich begreife Sie und Ihre Skrupel sehr wohl. Auch ich könnte niemals glücklich sein in einer Liebe, die ich mir zum Vorwurf machen müsste!”
Louise seufzte schwer. Sie gingen langsam durch eine der köstlichen Alleen Saint-Germains. Warme Herbstsonne lag auf den Wegen und ließ die träumerisch niedersinkenden Blätter in tiefen roten und goldenen Tönen aufglühen.
Wie hatte Louise sonst die Zeit des Herbstes, der reifen Kraft geliebt! Heute dachte sie: Wenn die Blätter droben an den Zweigen wieder grünen, bin ich vielleicht nicht mehr. Dann haben Kampf und Unterliegen, Freuden und Qualen, Glück und Reue ihr Ende gefunden. Sie wandte sich zu der Marquise zurück.
„Mein Wort, Liebe, wenn ich diese sündige Neigung aus meinem Herzen reißen könnte, ohne den König zu betrüben, bei Gott, ich fände den Mut dazu. Aber ihm das Herz brechen, sein Leben vergiften zum Dank für so viel Liebe, Güte und zärtliche Sorge — nein, diese übermenschliche Kraft bringe ich niemals auf.”
Athenais blickte nachdenklich auf ihre neue Freundin. Ein eigentümlicher, vielsagender Ausdruck leuchtete in ihren klugen Augen auf. Aber sie hütete sich auszusprechen, was sie dachte.
Das Bibelwort „Unter Schmerzen sollst Du Kinder gebären” schien eigens für Louise von La Vallière geschrieben worden zu sein. Wenige Tage nach ihrer Unterredung mit Frau von Montespan in den Alleen von Saint-Germain, am 3. Oktober, gab sie ihrem letzten und vierten Kind das Leben.
Mehr noch als die körperlichen folterten sie die seelischen Schmerzen. Was sollte aus dem Kind werden, über dessen Zukunft der König bisher undurchdringliches Stillschweigen bewahrt hatte, ja dessen Kommen er nahezu ignoriert hatte?
Es wurde ihr nicht lange Zeit gegeben,
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