Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)
Versailles und bat den König um seinen Schutz. Ganz Versailles geriet in Aufruhr. Wenn man die Montespan auch mehr fürchtete, als man sie liebte, stellte man sich in diesem Fall doch einmütig auf die Seite der misshandelten Frau.
Vielleicht wäre die kleine Sensation, vor allem die üble Rolle des Ehemanns bald vergessen gewesen, hätte der Marquis nicht die Unklugheit begangen, in eigener Person in Versailles zu erscheinen, hätte er es nicht gewagt, dem König einen langen Sermon im Bibelstil zu halten, den Louis allerdings nicht ernst nahm.
Zu ihrer ganzen Tragikomik spitzte sich die Situation aber erst zu, als der Marquis an einem der nächsten Tage nach kurzer Abwesenheit in Paris in tiefer Trauer zurückkehrte. Allen Fragen, wen er betrauere, begegnete er mit tiefem Schweigen. Nur dem König gab er die Antwort: „Sire, ich trage Trauer um meine Frau!”
„Wie denn — Trauer um Ihre Frau, Marquis?”
„Ich habe sie verloren, Sire — ich werde sie niemals wiedersehen.”
Der Marquis entfernte sich ohne weiteres Wort. Er fuhr in einem mit schwarzem Krepp behangenen Wagen nach Paris zurück, er sagte jedem, der es wissen wollte, dass seine Frau gestorben sei.
Anfangs nahm niemand diesen großen Schmerz für Ernst. Als der Marquis aber nicht nachließ, seine Frau als eine Tote zu beklagen, erklärte man ihn für toll, und der König war der Erste, ihn einen Verrückten zu heißen, der so schnell wie möglich vom Hof entfernt werden müsse. Er gab Colbert den Auftrag, Henri Louis de Pardaillan de Gondren, Marquis von Montespan, von Paris fort auf sein Schloss zu verweisen, mit dem Befehl, es nie mehr zu verlassen.
Der Marquis knirschte, als er die königliche Order erhielt. Er wäre am liebsten nach Versailles gestürmt, um Seiner Majestät Louis XIV. die gleiche Züchtigung zu verabfolgen, die er der Frau verabfolgt hatte, um derentwillen er Trauer trug. Aber er war gut bewacht. Eine Kalesche, die ihn nach Versailles gefahren, hätte er um kein Geld der Welt zur Verfügung gehabt. Colbert sorgte dafür, dass die Gäule, die den Marquis fuhren, eine durchaus andere Richtung nahmen.
Trotzdem des Königs Überzeugung von seiner Selbstherrlichkeit und Unfehlbarkeit, genährt durch den Ehrgeiz und die dick aufgetragenen Schmeichelkünste der Montespan, mehr und mehr wuchs, hatte er es doch nach der Affäre mit dem Marquis für ratsam gehalten, den Hof eine Weile von den Stätten dieses halb lächerlichen, halb tragischen Schauspiels fernzuhalten.
Er hatte den Hofstaat so entlegen als möglich nach Chambord verlegt und auch Louise von La Vallière dorthin befohlen. Hier, in dem prächtigen Renaissanceschloss François' I., in dessen weiten Hallen und Sälen keiner den anderen störte, niemand den anderen hörte und sah, wenn er nicht wollte, hatte Louise mehr als genug Zeit und Muße, ihren traurigen Gedanken nachzuhängen.
Während der König mit der Marquise die besonders ergiebigen Jagdgründe Chambords durchstreifte, saß sie an den Fenstern ihrer Gemächer und blickte auf die Landschaft hinaus, die ihr von Kindheit an vertraut war. Sie sah nach Blois hinüber und auf die Wälder und Ströme, die es umgrenzten. Sie dachte an ihre bescheidene, aber so unendlich glückliche, reine Kindheit, an den armen Bragelonne, der seine Treue für sie mit dem Leben bezahlt hatte.
Ahnungslos, was das Leben bedeutete, unbekannt mit seinen Schlichen und Ränken war sie voll freudiger Hoffnungen, ein halbes Kind noch, hinausgezogen aus der Heimat. Ihre Anschauungen über die Pflichten und Rechte der Ehrendamen am Hofe Frankreichs waren von Idealen getragen gewesen. An die Traditionen unter den Regierungen Catharina von Medicis, der Valois, Henri IV. hatte sie sich angelehnt. Enttäuscht, verlassen kehrte sie zurück. Die Ideale waren in den Staub des Alltags getreten. Selbst über dem Bild des Jugendfreundes hingen trübe Wolken. Statt von dem edlen Brage-lonne von einem Herzog von Longueville umworben zu werden, einem Mann, dem Louise kaum einen Funken Sympathie, geschweige denn so etwas wie Neigung entgegenbrachte, war ein hartes Los.
Und doch sprach man von dieser Werbung und deren nachfolgender Heirat am Hof bereits als von einer feststehenden Tatsache!
An einem wundervollen Septembertage — ein feiner sonnendurchgoldeter Nebel hing über den Tälern und Wasserläufen — stand Louise am Fenster, die Stirn gegen die Scheiben gelehnt, und blickte in die Richtung hinaus, in der der König heute jagen wollte.
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