Die Geliebte des Zeitreisenden
aber warum sollte ich dir vertrauen?«
Rion lächelte. »Ihr dürft niemals über das sprechen, was ich jetzt tun werde.«
Bevor Lucan und Cael dem zustimmen konnten, hatte sich Rion bereits in einen Drachen verwandelt. Im einen Augenblick war er noch ein Mensch gewesen, im nächsten aber hatten sich dann schon Schuppen auf seiner Haut gebildet. Seine Beine waren dick geworden, und die Arme liefen in gigantischen Schwingen aus.
Cael keuchte auf. »Ich schwöre, dass ich ihm kein Blut von mir gegeben habe.«
Rion verwandelte sich in einen Menschen zurück. »Ich wurde als Drachenwandler geboren. Auf Ehro sind alle Mitglieder meines Volkes Drachenwandler.«
»Aber du besitzt keine Schuppen auf der Innenseite deiner Arme«, bemerkte Cael.
»Meine Chromosomen sind etwas anders als eure. Schließlich stamme ich auch aus einer anderen Welt.« Rion wandte sich an Lucan. »Die Mitglieder der Stämme können sich nicht verwandeln, aber sie wollen uns doch mit ihrer militärischen Überlegenheit beherrschen. Wir müssen uns gegen sie erheben. Unser Drachenblut macht uns zu Verbündeten. Zu Brüdern.« Abermals streckte er die Hand aus. »Wir müssen den Gral gemeinsam beschützen. Wenn ihr meine Hilfe annehmt...«
»Ich bin froh darüber.« Lucan schüttelte ihm die Hand.
»Habe ich euer Versprechen, dass ihr nicht über das sprechen werdet, was ihr vorhin gesehen habt?«, drängte Rion.
Lucan nickte. »Du hast mein Wort.«
»Meines auch«, pflichtete Cael ihm bei. »Aber warum diese Heimlichkeit?«
»Wir dürfen es nicht riskieren, die Zukunft zu verändern.«
Lucan wusste nicht, ob er Rion verstand. Aber Rion hatte gewiss jedes Recht dazu, seine Geheimnisse zu wahren.
»Wo sind die Stämme jetzt?« Cael sah die beiden Männer an und zog die Stirn kraus. Sie klang wieder ruhig und hatte sich den Mantel der Autorität umgelegt. Aber Lucan spürte die lodernde Wut unter ihrem kühlen Äußeren.
Rion zuckte die Schultern; seine Augen wirkten ausdruckslos. »Das weiß niemand. Sobald sie eine Welt in ihrer Gewalt haben, zerstören sie diese. Es bleibt niemand übrig, der die Geschichte erzählen könnte.«
Es schien unmöglich, dass die Stämme noch immer ihre Feinde waren, doch Lucan war zu weit gereist und hatte zu viel gesehen, um Rion nicht zu glauben. Im Augenblick war Lucan der einzige Repräsentant der Erde, und als solcher konnte er einen Verbündeten gut gebrauchen. Wer aber käme dafür eher infrage als ein Sohn Gerwains, der Abkömmling also eines der treuesten Ritter aus Arthurs Tafelrunde? Die Feindseligkeiten des Militärs, die Mordanklage und die Folterung der Hohepriesterin deuteten bereits an, dass andere Fremdweltler schon hier waren.
Und die Inschrift auf Brennons Formel in der Sprache der Stämme beunruhigte ihn zutiefst. Die Stämme... König Arthurs uralter Feind hatte überlebt.
Die Stämme wollten den Gral haben.
Wenn Lucan Erfolg hatte und den Gral mit zur Erde nahm, dann würden ihm die Stämme vermutlich folgen. Das war zwar ein gefährliches Spiel, aber es blieb ihm nichts anderes übrig, als das Risiko einzugehen.
So sehr wurde Cael von Wut geschüttelt, dass sie ihre gesamte Willenskraft benötigte, um nicht laut aufzuschreien, die Fäuste zu ballen und die Göttin zu verfluchen. Lucan hatte sie getäuscht. Er hatte sie benutzt. Es war unmöglich zu sagen, wie viele Lügen er ihr erzählt hatte. Sie hatte ihm vertraut und damit ihr eigenes Volk verraten. Sie fühlte sich wie eine Närrin. Sie fühlte sich, als brächen ihr die Herzen. Aber noch schlimmer war, dass sie ihm ihr Drachenblut gegeben und sich damit einen höchst beachtlichen Feind selbst geschaffen hatte.
Heilige Göttin! Zum ersten Mal in ihrem Leben wollte sie jemanden bei lebendigem Leibe braten. Sie stapfte in die Höhle, bevor sie ihrem Zorn und Schmerz freien Lauf lassen konnte.
Doch während sie in schrecklicher Aufregung durch die Höhle rannte, wusste sie, dass sie niemals in der Lage sein würde, den Mann zu töten, der sie auf so wunderbare Weise befriedigt hatte. Sie wollte ihn nicht umbringen, aber sie wollte doch Rache üben. Sie wollte, dass er versagte. Sie wollte dafür sorgen, dass er den Gral niemals zur Erde brachte. Sie wollte ihn so sehr verletzen, wie er sie verletzt hatte.
Ihre Gedanken waren zwar nicht angemessen für eine geistige Führerin, aber sie war schließlich auch nur ein
Mensch. Und was er ihr angetan hatte, das war scheußlich gewesen.
Wie leicht sie ihm auf den Leim gegangen
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