Die Geliebte des Zeitreisenden
fragte sie: »Wenn ihr Lucans Hilfe braucht, warum habt ihr dann versucht, ihn während des Feuers zu töten? Und warum macht ihr ihn für Shaws Tod verantwortlich? «
»Quentin hat uns versichert, dass er den inneren Schild überwinden kann, aber er hat seine Fähigkeiten weit überschätzt.«
Quentin? War er denn ebenfalls ein Verräter? »Ich weiß nichts, was euch helfen könnte.«
Ihr Gegner schwang sein Schwert. »Sag mir, wo er ist.«
»Quentin?« Sie hob eine Braue. »Ich habe wirklich keine Ahnung.«
Er stach wieder zu und brachte ihr eine tiefe Wunde an der Schulter bei. Unter brennenden Schmerzen schrie sie auf.
»Nicht Quentin, sondern der Sprachwissenschaftler. Sag mir, wo er ist. Sofort.«
»Das habe ich doch schon gesagt. Ich weiß es nicht.«
»Du wirst es mir verraten...«
»Ich...«
»Oder du stirbst an hundert Wunden.« Er stach wieder auf sie ein; diesmal schlitzte er ihr den Oberschenkel auf.
Sie ertrank in einem Treibsand aus Schmerzen und musste wieder daraus auftauchen, unbedingt. Sie musste verhindern, dass der Schmerz sie weiter hinabzog. Vielleicht war die Hilfe ja schon unterwegs.
Gerade hob er das Schwert, als die Männer das Haus betraten. Maskierte Männer.
Durch einen Schleier der Qualen erkannte sie, dass die Männer nicht gekommen waren, um sie zu retten.
Ein stämmiger Kerl schlenderte durch die Tür. Die Augen hinter seiner Maske betrachteten ihre Wunden. »Hast du den Sprachwissenschaftler gefunden?«
»Ich bin dabei.« Wieder hob er das Schwert. Als er erneut zustach, wappnete sich Cael gegen den Schmerz. Sie versuchte, ganz ruhig zu bleiben. Aber als das Metall wie aus eigenem Willen in sie fuhr, riss sie den Mund auf und schrie. Sie verlor das Gleichgewicht, die Kette um ihren Hals zog sich zusammen und erstickte ihren Schrei.
Der maskierte Mann fuhr mit dem Schwert vor ihrem Gesicht herum; die grausame Klinge zischte dicht an ihrer Wange vorbei. »Ich bin sehr geübt darin, lebenswichtige Adern, Arterien und Organe zu verfehlen. Sag mir, wo sich der Sprachwissenschafter aufhält, und dein Tod wird rasch sein.«
»Ich... weiß ... nicht.«
Die Göttin möge ihr helfen. Sie würde einen grausamen und barbarischen Tod erleiden. Einen scheußlichen Tod.
Aber als der Schmerz sie hinabzog, war sie froh, dass sie Lucans Aufenthaltsort nicht verraten konnte. Vielleicht würde er überleben.
~ 16 ~
Wenn die Magie der Großen in menschliche Hände gelegt wird, dann werden diese Hände den Willen der Göttin befolgen. Die Herrin vom See
Schmerz.
Was zur Hölle... ? Diese Botschaft fuhr durch Lucans Kopf; es war ein so starker Gedanke, dass er in seinem Gleiter zusammenzuckte. Überall an seinem Körper brach Schweiß aus.
Schmerz. War er denn verletzt? Er verrenkte sich, blickte an sich herab und erwartete, eine Wunde zu sehen. Aber nichts war zu erkennen. Der scharfe, brennende Schmerz in seinem Kopf hingegen blieb, obwohl er nirgendwo Blut entdeckte.
War dieser geistige Schrei, diese pochende Qual eine Nebenwirkung seiner Entwicklung zum Drachenwandler? Leise fluchte und kämpfte er gegen diese verheerende Tortur an.
Zum Glück hatte der Autopilot des Gleiters keine Schwierigkeiten damit, Carlane und Caels Residenz zu finden. Er war von Westen gekommen, über das Meer und die Vulkanberge, als ihn der Schmerz überfallen hatte. Während er sich Carlane näherte, der Stadt aus Marmor und Glas, die im harten Mittagslicht glitzerte, machte es ihm der brutale Schmerz unmöglich, wieder klar zu denken. Wenn nicht der Autopilot gewesen wäre, hätte er das Flugzeug vermutlich in einen der himmelwärts strebenden Wolkenkratzer gesteuert oder wäre mitten in eine der Flugspuren oder in ein Laufband für Fußgänger geraten. Durch einen Schleier des Schmerzes hindurch erspähte er ein parkähnliches Areal mitten in der Stadt, in dem sich die Residenz der Drachenwandlerin befand. Caels atemberaubend großes und farbenprächtiges Haus glänzte wie ein Leuchtfeuer aus Saphiren zwischen den alten Bäumen und blühenden Gärten, die von Wegen und gurgelnden Bächen durchzogen wurden. Die üppige grüne Landschaft stand in scharfem Kontrast zu den glatten Oberflächen der umgebenden Stadt.
Schmerz. Er rieb sich die Schläfen, als ihn ein weiterer geistiger Schrei durchfuhr, aber diesmal erkannte er, dass Cael der Ursprung war. Es war Caels Schrei, der sein Innerstes zerriss.
Gütiger Himmel! Cael musste in Schwierigkeiten sein. In schrecklichen Schwierigkeiten.
Entsetzen
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