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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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seine Wangen brannten.
    »Einen Unschuldigen?«
    »Frank ist doch unschuldig! Jack Randall ist mir egal...««
    »Aber mir nicht!« Er griff nach der Tasche und schritt zur Tür. »Großer Gott, Claire! Du willst mich daran hindern, an dem Mann Rache zu nehmen, der seine Hurenspiele mit mir getrieben hat? Der mich gezwungen hat, seinen mit Blut beschmierten Schwanz zu schlucken? O Gott, Claire!« Er stieß die Tür auf und war schon auf dem Flur, als ich ihn einholte.
    Inzwischen war es dunkel, aber die Dienstboten hatten die Kerzen angezündet, so daß der Flur matt erleuchtet war. Ich packte ihn am Arm und zerrte an ihm.
    »Jamie! Bitte!«

    Ungeduldig entwand er sich meinem Griff. Ich weinte fast, hielt aber die Tränen zurück. Ich bekam die Tasche zu fassen und riß sie ihm aus der Hand.
    »Bitte, Jamie! Warte nur noch ein Jahr! Das Kind - Randalls Kind - wird im nächsten Dezember gezeugt. Danach spielt es keine Rolle mehr. Aber bitte - um meinetwillen - warte so lang!«
    Der Kandelaber auf dem goldumrandeten Tisch warf Jamies Schatten riesenhaft und schwankend an die gegenüberliegende Wand. Er starrte ihn an, als hätte er ein Ungeheuer vor sich, das ihn bedrohlich überragte.
    »Aye«, flüsterte er wie im Selbstgespräch, »ich bin ein großer Kerl. Groß und stark. Ich kann viel aushalten. Ja, ich halte viel aus.« Er wirbelte herum und schrie mich an.
    »Ich halte viel aus! Aber heißt das, daß ich es auch muß? Muß ich die Schwächen aller anderen ertragen? Kann ich nicht mal selber schwach sein?«
    Er begann im Korridor auf und ab zu gehen; der Schatten folgte ihm in lautloser Hast.
    »Wie kannst du das von mir verlangen! Ausgerechnet du! Du, die du weißt, was... was...« Sprachlos vor Wut rang er nach Luft.
    Im Hin- und Hergehen schlug er immer wieder mit der Faust gegen die Wand. Die Kalksteinwand schluckte seine Hiebe ohne einen Laut.
    Schließlich wandte er sich um und blieb schweratmend vor mir stehen. Ich stand wie erstarrt da und wagte nicht, mich zu rühren oder zu sprechen. Er nickte ein-, zweimal, als käme er zu einem Entschluß. Dann zog er seinen Dolch aus dem Gürtel und hielt ihn mir unter die Nase. Mit spürbarer Anstrengung richtete er das Wort an mich.
    »Du hast die Wahl, Claire. Er oder ich.« Das Kerzenlicht tanzte auf der glänzenden Klinge. »Ich kann nicht leben, solange er lebt. Wenn du nicht willst, daß ich ihn töte, dann töte du mich jetzt!« Er packte meine Hand und zwang meine Finger um den Griff. Dann riß er sein Spitzenjabot auf, entblößte seinen Hals und riß meine Hand nach oben.
    Mit aller Kraft stemmte ich mich dagegen, aber er führte die Spitze der Klinge unerbittlich an die kleine Mulde über dem
Schlüsselbein, genau unter die bläuliche Narbe, die Randalls Dolch dort vor Jahren hinterlassen hatte.
    »Jamie! Hör auf! Hör sofort auf!« Mit der anderen Hand packte ich ihn, so fest ich konnte, am Gelenk und lockerte seinen Griff so weit, daß ich meine Finger mit einem Ruck freibekam. Der Dolch fiel scheppernd zu Boden, sprang über die Steinfliesen und landete schließlich geräuschlos auf dem gemusterten Aubusson-Teppich.
    Jamie stand wie erstarrt vor mir, das Gesicht aschfahl, die Augen glühend. Ich packte seinen Arm, der hart wie Stein war.
    »Bitte, glaub mir, bitte. Ich würde das nicht tun, wenn es eine andere Lösung gäbe«, beschwor ich ihn und holte tief Luft, da mein Herz hämmerte, als wollte es zerspringen.
    »Du verdankst mir dein Leben, Jamie. Nicht einmal, zweimal. Ich habe dich vor der Hinrichtung in Wentworth gerettet und dann wieder, als du in der Abtei im Fieber lagst. Du schuldest mir ein Leben, Jamie!«
    Er starrte mich lange an, bevor er antwortete. Seine Stimme klang wieder ruhig und ein wenig bitter.
    »Verstehe. Und diese Schuld willst du jetzt einfordern?« Seine Augen glühten tiefblau, wie das Blau, das im Herzen einer Flamme lodert.
    »Ich muß. Anders bringe ich dich nicht zur Vernunft!«
    »Vernunft. Ah, Vernunft. Nein, ich kann nicht behaupten, daß ich gerade jetzt für Vernunftgründe zugänglich wäre.« Langsam entfernte er sich von mir und schritt mit gesenktem Kopf den langen Korridor hinunter.
    Der Flur erstreckte sich über die ganze Länge des ersten Stockes und wurde an beiden Enden von einem riesigen Buntglasfenster begrenzt. Jamie marschierte bis zum einen Ende, machte mit der Präzision eines Soldaten kehrt und kam gemessenen Schritts wieder auf mich zu. Auf und ab, auf und ab, immer wieder.
    Mir zitterten die

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