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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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verhaltenes Kichern. Lächelnd legte er die Pfeife weg.
    »Kunstgegenstände«, er wies auf die glitzernde Sammlung, »findet man besonders häufig, die Schmuckstücke einer Gesellschaft. Warum auch nicht?« wandte er sich an einen intelligent dreinschauenden braunhaarigen Jungen - der Trick eines geschickten Referenten: Man sucht sich jemanden von den Zuhörern aus und tut so, als spreche man nur zu ihm. Dann wählt man einen anderen aus. Auf diese Weise fühlt sich jeder im Raum persönlich angesprochen.
    »Schließlich sind es ja sehr hübsche Dinge.« Eine leichte Berührung brachte die Schwäne auf der Uhr zum Kreisen, während sie würdevoll ihre geschwungenen Hälse reckten. »So etwas wirft man nicht weg. Aber wer würde schon einen alten, geflickten Teewärmer oder einen ausgedienten Autoreifen aufheben?« richtete er
diesmal das Wort an eine hübsche Blondine mit Brille. Das Mädchen lächelte und gab ein kurzes Kichern von sich.
    »Aber es sind gerade die Gebrauchsgegenstände, die Dinge, für die es keine schriftlichen Belege gibt, die man benutzt, bis sie kaputtgehen, und dann achtlos wegwirft, durch die wir erfahren, wie der Durchschnittsmensch gelebt hat. Beispielsweise verraten uns diese Dinge hier einiges über die Häufigkeit und die Art und Weise des Tabakgenusses in den verschiedenen Gesellschaftsschichten, den höheren«, Frank tippte an den Emaildeckel einer Schnupftabakdose, »und den niederen.« Mit liebevoller Vertrautheit strich sein Finger über das lange, gerade Pfeifenmundstück, und er lächelte.
    Jetzt hatte er sie alle in seinen Bann geschlagen; sie mit seiner guten Laune angesteckt und ihre Aufmerksamkeit auf die funkelnden Gegenstände gerichtet. Nun würden sie ihm mit wachem Interesse und ohne Klagen durch das Dickicht der Theorien folgen.
    »Der beste Zeuge der Geschichte ist derjenige - oder diejenige«, er nickte der Blondine zu, »der oder die in jener Zeit gelebt hat, stimmt’s?« Lächelnd griff er nach dem gesprungenen Hornlöffel. »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Schließlich liegt es in der Natur des Menschen, die Dinge von ihrer Schokoladenseite zu zeigen, wenn man weiß, daß das, was man schreibt, von anderen gelesen wird. Man neigt dazu, sich auf das zu konzentrieren, was man für wichtig hält, und oft genug wird es der Öffentlichkeit ein wenig geschönt präsentiert. Selten findet man einen Zeitzeugen wie Pepys, der den Einzelheiten einer königlichen Prozession ebensoviel Interesse schenkte wie dem Umstand, wie oft er seinen Nachttopf benutzen mußte.«
    Diesmal lachten alle. Locker und entspannt lehnte Frank sich an den Tisch, während er mit dem Löffel spielte.
    »Deshalb werden gerade die hübschen Dinge, die kunstvollen Objekte besonders gern aufgehoben. Aber Nachttöpfe, Löffel und billige Tonpfeifen geben uns mindestens genausoviel Aufschluß über die Menschen, die sie benutzt haben.
    Und was waren das für Menschen? Wir haben die Vorstellung, historische Personen seien ganz anders als wir, beinahe etwas Mythisches. Aber das hier hat jemand zum Spielen benutzt«, sein Zeigefinger strich über die Spielgelddose, »und das hat einmal einer Dame gehört«, er stupste das Parfümflakon an, »die sich damit parfümiert hat - hinter den Ohren, an den Handgelenken...
oder wo parfümieren sich Damen noch?« Er sah plötzlich auf und lächelte die mollige Blondine in der ersten Reihe an. Das Mädchen errötete, kicherte und deutete züchtig auf den V-Ausschnitt ihrer Bluse.
    »Ah, ja. Da natürlich auch. Nun, die Besitzerin dieses Flakons hat es nicht anders getan.«
    Frank drehte sich zum Tisch um, und eine Haarsträhne fiel ihm in die Stirn, als seine Hand unentschlossen über den Miniaturen verharrte.
    »Und dann gibt es einen besonderen Typ von Objekten - Porträts. Eine Kunstform einerseits, andererseits der einzige Beleg dafür, wie die Leute damals ausgesehen haben. Doch wie wirklich erscheinen sie uns?««
    Er hob ein winziges ovales Bild auf und drehte es zu den Studenten hin, während er vorlas, was auf dem kleinen Aufkleber auf der Rückseite stand.
    »Eine Dame mit gelocktem, braunem, hochgestecktem Haar; rosafarbenes Kleid und Chemise mit Rüschenkragen. Hintergrund Himmel und Wolken. Von Nathaniel Plimer, mit dessen Initialen und Datum von 1786.« Daneben hielt er ein rechteckiges Porträt hoch.
    »Ein Herr mit gepudertem Haar en queue; brauner Rock, blaue Weste, Batistjabot und Ordenszeichen, vermutlich des Bath-Ordens. Von Horace Hone, mit

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