Die gelöschte Welt

Titel: Die gelöschte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Harkaway

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Hoffnung erfüllte. Etwas Großes und Schreckliches, das sich Humbert Pistill erst genau ansehen musste. Dort vernahm er die ersten Töne der Musik, nach der er gesucht hatte. Mit diesem Lied im Kopf machte er sich daran, auf den Trümmern des alten Finanzsystems und der Uhrwerksgilde etwas Großes zu erschaffen. Er nannte es Jorgmund, und es sollte die Welt umklammern. Jorgmunds Blut war eine Substanz namens FOX, die das Neue verdrängen und das Alte wiederherstellen konnte.

    Elisabeth Soames hustet. Sie hat lange gesprochen. Ich reiche ihr etwas Wasser aus dem Plastikeimer in der Ecke. Sie hat den Eimer in Decken gewickelt, weil er eine schreckliche grüngelbe Farbe hat. Jetzt sieht er aus wie etwas, das man in einer Beduinenhütte finden könnte, falls der Beduine bei Ikea einkauft. Sie trinkt etwas Wasser und schmiegt sich eng an mich.
    »Was hat er gesehen?«, frage ich.
    »Das weiß ich nicht.«
    Jedenfalls ist dies der Kern der Angelegenheit. Der Motor in Humberts Maschine, ein feindlicher Plan. Jorgmund. FOX. Gonzo. Alles gehört zusammen. Finde die Verbindungen, finde das Warum. Was hat Jorgmund mit Gonzo vor? Alte Fragen: Was ist das für ein Ding, das Jorgmund heißt? Was will es? Wo ist mein Platz in alledem?
    »Ich muss zur Zentrale«, sage ich zu Elisabeth Soames. Sie erwidert nicht: »Bist du dazu fähig?«, oder: »Wenn sie dich nun schnappen …« So etwas Offensichtliches zu sagen, entspricht ihr gar nicht. Sie scheint über alles nachzudenken, was geschehen ist, über sich selbst und mich, und alles abzuwägen. Dann öffnet sie die Augen, und nickt. Ein einziges Mal nur, doch sehr nachdrücklich.
    »Okay.«


15 Imperien und Dächer • Weidenkätzchen • Das Antlitz meines Feindes

    Bis vor Kurzem bildete das große Reich der Couturiers – der Kontinent des Stils, der alle Arten von Smokings, Hausmänteln, Edwards, Ascots, Litchfields, Fräcken und Freizeitkleidung hervorbringt – auf meiner persönlichen Landkarte lediglich eine kleine Insel luvwärts vom Archipel der Nutzlosigkeit. Dort lebten geschickte, im Grunde aber doch nutzlose Wesen, die mit dem Auf und Ab des Lebens nicht viel zu tun hatten. Eine Stunde in Gesellschaft von Royce Allen hatte mich allerdings eines Besseren belehrt. Schneider sind lebenswichtig. Royce Allen ist eine Sende- und Empfangsstation für Neuigkeiten und Sturmwarnungen verschiedenster Art und zugleich eine Stimme der Wahrheit in den Ohren jener, die viel zu bedeutend sind, um allzu häufig Wahrheiten anhören zu müssen. Männer seines Berufs retten schon seit vielen Jahren leise und bescheiden die Welt.
    »Nein, Sir, dieser gelbliche Ton ist eine Katastrophe. Damit sehen Sie wie ein kranker Vampir aus. Ja, wie ein Untoter. Genau. Der Traum eines Cartoonzeichners, Sir. Nein, keineswegs vornehm bleich und aristokratisch, fürchte ich, obschon ich mir vorstellen kann, wie Sie auf diese Idee kommen. Sondern eher ein wenig verflossen. Das gilt auch für dieses Rosa, Sir. Wenn es schon unbedingt sein muss, Sir, dann vielleicht das Rostrot, aber es hat für mein Gefühl einen Hauch von einem Misthaufen an sich. Ja. Oh, und die wirtschaftliche Lage, Sir? Sehr prekär. Ja, mir sind Ihre neuen Ideen durchaus bekannt, Sir. Sie sind, wenn Sie mir dies verzeihen wollen, noch schlimmer als der Rupfensack, den Ihre Gemahlin gestern Abend im Fernsehen trug. Ja, die Massenarbeitslosigkeit, das glaube ich gern. Nun, vielleicht dürfte ich vorschlagen, dass Sie es einfach auf sich beruhen lassen, Sir … soll sich der Immobilienmarkt doch selbst regeln, und die Banken dürfen sich auch eigenständig aus ihrer Krise befreien – wollen Sie dann nächste Woche noch einmal zur Anprobe kommen? Sehr schön. Was nun die Fußbekleidung angeht … dürfte ich vorschlagen, dass Sie in dieser Hinsicht den Rat des Verteidigungsministers annehmen? Diese hier wären aus kubanischem Leder.«
    Meine gegenwärtige Bekleidung stammt allerdings aus einem anderen Stall. Auch auf ihre Herstellung wurde großes Fachwissen verwendet, sie entspricht den strengsten Qualitätsmaßstäben. Doch die Absicht hinter ihrer Herstellung ist alles andere als wohlwollend. Die Hosen sind doppelt gefüttert. Die innere Lage besteht aus reiner Seide, die sich sofort um die Beine schmiegt. Die äußere ist gröber und gleitet über die Seide, ohne sich zu verfangen oder ein Geräusch zu machen. Die Außenschicht schließlich wirkt nicht direkt schwarz, sondern gescheckt. Mitternacht auf Anthrazit, eine