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Die gelöschte Welt

Die gelöschte Welt

Titel: Die gelöschte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Harkaway
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geheimnisvolle Fremde sein, der in den Hinterhöfen der Welt Gerechtigkeit und Vergeltung übt.
    Daraufhin bestellt er eine weitere Runde und weigert sich, weiter darüber zu reden, weil er bisher noch nichts getan, sondern nur die Ausbildung absolviert hat. Gonzo hasst es, in der Zukunftsform über sich zu sprechen – bisher kann er noch nicht einmal behaupten, ein neuer Rekrut zu sein.
    In meiner Erinnerung gibt es keine Stripperinnen. Am folgenden Tag besteht Gonzo jedoch darauf, Dutzende seien dort gewesen.
     

5 Nicht-Krieg, Höllen und Kuchen • Eine Verabredung • Das rote Telefon klingelt
     
    Graubraune Erde, grüne Hänge, Dunst. In der Ferne überlässt einer der Seen von Addeh seine Feuchtigkeit der warmen Luft. Wenn der Wind aus dieser Richtung weht, riecht es nach Wasser und Diesel. Wenn er unentschlossen hin und her flattert, dringt von den Katirbergen der Geruch von Kiefern und irgendeiner Blumensorte herab. Aus welcher Richtung er auch kommt, er vermag weder mein Zelt zu kühlen noch mir – hier im Niemandsland – das Gefühl der Isolation zu nehmen: umgeben von den Zelten der anderen Männer und Frauen, die so einsam sind wie ich.
    Dies ist Freeman ibn Solomons Heimat, und der Gewehrberg, über den er so unglücklich war, hat sich in einen Vulkan verwandelt. Das Land heißt nicht mehr Addeh Katir; die meisten Menschen nennen es das Kriegstheater, was andeutet, dass hinter den Ereignissen in gewisser Weise eine klare Dramaturgie steht. Diese Deutung ist allerdings höchst fragwürdig.
    In der fernen Vergangenheit, die man heute als die goldenen Zeiten des Krieges bezeichnen würde, war es recht einfach, den Nachbarn die Schädel einzuschlagen (da es die einzigen Leute waren, die vernünftigerweise zum Einschlagen der Schädel zur Verfügung standen). Sie – wenn Sie denn König waren – mussten nur auf das Nachbarland deuten und sagen: »Das da will ich haben!« Ihre Vasallen – getreue Kerle, die eher nach Masse und Muskulatur denn nach dem Gehirn ausgewählt wurden – sagten daraufhin: »Ja, mein Lehnsherr«, oder manchmal auch: »Und was springt dabei für mich heraus?« Aber dann ritten sie auch schon davon und brandschatzten, plünderten, metzelten und hackten, bis Sie entweder über ein paar Hundert neue Quadratkilometer Wald und Ackerland herrschten oder von den Heiden der Gegenseite, die Ihnen ein paar Takte über grenzüberschreitende Aggressionen ins Ohr flüstern wollten, unsanft festgenommen wurden. Es war eine rein persönliche Angelegenheit, und es bestand kein großer Zweifel über den Anstifter, weil der Betreffende gewöhnlich im schönsten Raum eines großen steinernen Hauses zu finden war und eine sehr teure Kopfbedeckung trug.
    Hiervon unterscheidet sich der moderne Krieg durch die Tatsache, dass alle Beteiligten vorgeblich äußerst unmotiviert sind. Wir werden gegeneinander geschleudert wie Kolonien schwer bewaffneter Pinguine auf Eisschollen. Jede Rede über das Thema, die ein Beteiligter hält, beginnt mit dem Bedauern, dass man überhaupt an Krieg denken müsse. Ein Krieg sei doch weder legal noch nützlich. Er sei nicht notwendig oder angemessen. Man müsse ihn vermeiden. Direkt nach dieser stolzen Eröffnung folgen zahlreiche Windungen, Ausflüchte und viel rhetorisches Gekräusel, weil wir doch nicht wollen und auch nicht dürfen, aber doch eine Art äußerst gewalttätigen Frieden durchsetzen müssen, bei dem leider ein paar Leute sterben werden. Also führen wir einen Nicht-Krieg.
    Die ersten Erschütterungen des Nicht-Krieges machten sich schon vor fast einem Jahr bemerkbar, als ich noch im Projekt Albumen lernte, wie man ein Auto umbringt. Erwin Mohander Kumar, der priapische Präsident von Addeh Katir und ein Strohmann der internationalen Finanzwelt, kam seinen Verpflichtungen hinsichtlich der Staatsverschuldung nicht nach. Den Gerüchten ist zu entnehmen, dass er die letzten hundert Millionen auf dem Bankkonto von Addeh Katir einsetzte, um sich die Dienste sämtlicher Mitarbeiter eines bekannten niederländischen Etablissements für drei Jahre zu sichern. So gut wie jeder Mensch auf der Welt sieht inzwischen ein, dass Erwin Kumar unfähig ist, auch nur einen Hund zu besitzen, von der Herrschaft über ein Land ganz zu schweigen. So viel ist offensichtlich.
    Die schwierige Frage lautet: Was soll nun geschehen? Und an diesem Punkt geraten sich verschiedene Nationen und Gruppen von Nationen, die angeblich miteinander befreundet und aus identischen, ähnlichen

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