Die Genesis-Affäre: Mind Control (German Edition)
zu rehabilitieren. Er ahnte nicht, in welche Gefahr er sich damit brachte.
10
In der spärlich eingerichteten Waldhütte Nähe Falkensee fand eine Art Krisensitzung statt. Einige Männer waren zugegen, die kurz zuvor Professor Morgenthal ermordet hatten und sieben Leichen verschwinden ließen. Wortführer war ein hagerer Mann mit dunkelblondem Bürstenhaarschnitt, faltigem, unrasiertem Gesicht. Seine Name war Jan Ruschkow, Chef dieser Organisation.
Bis zur Wende war Jan Ruschkow im Stasi-Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen einer der gerissensten und gefürchtetsten Offiziere und galt als Verhörspezialist, der es perfekt verstand, mit zermürbenden Methoden seine Häftlinge zu Aussagen zu bewegen, die er hören wollte. Seine Methoden hatte er bis zur Perfektion getrieben, genauso wie seine vorherige Aufgabe. Er verstand es wie kein anderer, in fremde Wohnungen einzudringen und dort Wanzen zu verstecken, ohne dass die Bewohner auch nur den leisesten Verdacht schöpften. Jeder hätte schwören können, dass niemals ein Fremder ihre Wohnung betreten hatte.
Seine Verbohrtheit hinsichtlich des untergegangenen Regimes hatte er bis heute nicht abgelegt und er gehörte zu denen, die sich eine Rückkehr in diese Zeit sehnlichst wünschten. Für ihn war die DDR der einzig rechte deutsche Staat gewesen und diese Meinung verteidigte er vehement, egal, ob man es hören wollte oder nicht.
Jan Ruschkow schnaubte vor Wut.
»Wie dumm kann man sein?«, posaunte er heraus. »Da habt ihr schon Headsets und haltet euch trotzdem nicht gegenseitig auf dem Laufenden. Der Mord hätte vermieden werden können, wenn klar gewesen wäre, dass ihr die Leichen längst rausgeschafft habt.« Er sah die Männer an, die dies getan hatten, während ein dritter in Morgenthals Büro war. Ruschkow hielt ihnen vor, dass die ganze Aktion in Gefahr geriet, da die Polizei natürlich Ermittlungen aufnahm, um den Mord aufzuklären.
»Keine Sorge, Chef, den findet so schnell niemand, wenn überhaupt«, versuchte einer der Männer die Situation zu schlichten. Er konnte nicht ahnen, das Professor Morgenthals Leiche in dem Behälter längst gefunden wurde.
»Ich hoffe, ihr seht wenigstens ein, dass einiges schiefgegangen ist«, sagte Ruschkow in einem barschen Ton, der unmissverständlich seine Position deutlich machte.
»Das sehe ich nicht so«, widersprach ihm Sebastian Fromm, der seine rechte Hand darstellte, quasi der Mann fürs Grobe. »Wir haben immer damit gerechnet, dass etwas schiefgehen kann und Probanden eventuell flüchten.«
Fromm war stets eine Art Puffer und verstand es, Jan Ruschkows Wutausbrüche zu dämpfen, was nicht nur der Gemeinschaft zugute kam, sondern der gesamten Aktion.
»Absolut inakzeptabel! Ihr habt versagt und die Anlage nicht gut genug bewacht. Das muss anders werden, verstanden!?« Niemand widersprach ihm, selbst Fromm nicht, gleichwohl jeder wusste, dass das Gelände hermetisch abgeriegelt war. Es war völlig rätselhaft, wie die sieben Männer den Zaun überwinden konnten, der als getreue Nachbildung des ehemaligen Befestigungszauns der innerdeutschen Staatsgrenze betrachtet werden konnte.
»Seht zu, dass wir Ersatz finden«, forderte Ruschkow.
»Ich habe bereits alles in die Wege geleitet«, meldete sich Sandine Dutronc zu Wort, die einzige Frau in dieser Gruppe. »Sollen wir überhaupt die Sache weiter durchziehen, nachdem die Regierung zurückgetreten ist? Ich meine, macht das jetzt noch Sinn?«
Jan Ruschkow sah Dutronc mit stechenden Augen an, ohne ein Wort zu sagen.
»Hab' verstanden – es macht Sinn«, beantwortete Dutronc sich selbst ihre Frage.
»Was mich viel mehr interessiert: Weshalb hast du diesen LeClerc in die Sache hineingezogen? Ich glaube, er wird uns Ärger machen.«
Dutronc winkte ab. »Sicherlich nicht. Er ist für mich – wie soll ich sagen – eine Art Schutzschild. Mein Plan hat bis jetzt perfekt funktioniert. Ich habe ihn erst zum »Terroristen« gemacht, ihn nach seiner Festnahme befreit und zur Flucht verholfen. Er steht gewissermaßen in meiner Schuld. Selbst die Nummer mit der Sécurité hat er mir abgekauft. Wenn es hart auf hart kommt, ist er meine Lebensversicherung, verstehst du? Vielleicht sogar für uns alle.«
Jan Ruschkow zog die Augenbrauen hoch. Für ihn gab es schon viel zu viele Mitwisser. Dennoch vertraute er Dutronc, wie er allen vertraute, die der Operation Genesis angehörten. Ihm war wie keinem anderen klar, dass nur in der Gemeinschaft dieses Wahnsinnsprojekt
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