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Die Geometrie der Wolken

Die Geometrie der Wolken

Titel: Die Geometrie der Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Foden
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einem Essen in der Stadt zusammen in ihr kleines Versteck im Wasserstoffschuppen gingen. Sie servierten Martinis und sprachen mit mir über Kunst, holten ab und zu Stifte und Papier, um mit einer Zeichnung - eines Reiters, eines Details einer Statue, des Oberkörpers einer Frau mit wallendem Haar - etwas zu verdeutlichen, was sie mir gerade erklärten. Oder sie verwiesen auf das Bild mit den Hunden in den Wellen, das immer noch auf der Staffelei stand.
    Dieses Bild machte einen starken Eindruck auf mich, wenn ich damals auch nicht wusste, warum. Heute weiß ich, dass es mich an Vickers erinnerte.
    Von ihrem Gerede über Kunst verstand ich meistens kaum ein Wort. Aber wir plauderten fröhlich vor uns hin, bis wir plötzlich einen lauten Knall in der Ferne hörten. Zunächst dachte ich, es wäre wieder ein U-Boot im Clyde, aber dafür war es zu weit weg. Wir öffneten die Falltüren und fuhren den Turm aus, um uns umzusehen.
    Auf der anderen Seite des Wassers suchten die Scheinwerfer den Himmel ab wie die Arme und Beine eines angegriffenen Tieres, das verzweifelt versucht, die alles verschlingende Dunkelheit abzuwehren. Näher bei uns war helles Licht zu sehen, irgendetwas brannte mit schrecklich bläulicher Farbe. Als wir über uns Flugzeuge und dann die Sirenen von Dunoon heulen hörten, stiegen wir wieder nach unten.
    »Du bleibst heute Abend lieber hier«, sagte Gwen. »Die Rückfahrt wäre zu gefährlich, und du hast sowieso zu viel getrunken. Irgendwie übertreibst du es immer.«
    Sie warfen einander einen Blick zu. Einen Moment lang dachte ich, mein Traum wäre wahr geworden, aber was sie meinten, war, dass ich im Wasserstoffschuppen schlafen sollte, während sie beide in ihre Unterkunft gingen, was sie dann auch taten. Ich legte mich auf ihre dreiteilige Matratze, und der Duft von Gwens und Joans Parfüm in der Wolldecke und dem Kissen machte mich verrückt vor Frustration.
    Als ich am nächsten Morgen nach draußen ging, wehte ein anderer Geruch herüber. So ähnlich wie versengtes Malz. Whybrow sah mich, als ich über den Hof ging. Er fragte mich, was ich im Wasserstoffschuppen zu suchen habe. Ich erzählte ihm von dem Luftangriff.
    Er nickte düster. »Ja, sie haben die Zuckerfabrik in Greenock bombardiert. Die ganze Nacht über sind Leute auf der Flucht vor den Flammen über den Fluss gerudert gekommen. Fast die ganze Stadt war unten am Pier und hat ihnen geholfen. Und was haben Sie gemacht?«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, kehrte er auf dem Ab satz um und ließ mich mit der Frage allein, wessen er mich eigentlich bezichtigte.
    Die Auflösung kam eine gute Woche später, als ich nach Dunoon zurückkehrte, vorgeblich um Wasserstoffzutaten abzuholen, aber auch weil ich hoffte, Gwen und Joan wiederzusehen. Als ich sie im Hauptbüro nicht antraf, ging ich in den Wasserstoffschuppen und rief hinauf nach oben zu ihrem kleinen Zimmer. Da ich keine Antwort bekam, fing ich an, mir meine Materialien zusammenzusuchen.
    Dabei hörte ich eine Stimme hinter mir. »Die beiden sind leider nicht da. Ihre Freundinnen machen heute einen Ausflug.«
    Ich drehte mich um und sah Whybrow schadenfroh grinsen.
    »Und Sie hatten die beiden so gerne besuchen wollen?«, spottete er. »Da oben.« Er deutete hinauf zum Zwischengeschoss, als wollte er eine Fliege totschlagen. »Daraus wird nichts. Sie sind nach Glasgow gefahren - treffen sich da bestimmt mit einem anderen. Am liebsten würde ich die versetzen lassen. Oder besser gleich rauswerfen.« Seine Augen traten aus den Höhlen hervor, und er gestikulierte mit beiden Händen, so dass es aussah, als stünde er kurz vor einem Anfall. »Ekelhaft, die beiden. Und Sie ...« Er unterbrach die Tirade, um mit dem Finger auf mich zu zeigen. »Sie sind auch nicht besser. Wie Sie hinter denen herjagen. Sie benehmen sich wie ein geifernder Köter. Mit Ihren Wetterkarten sind Sie Tage im Verzug. Hören Sie mir gut zu, junger Mann, Ihre Zeit ist bald abgelaufen. Reißen Sie sich zusammen, oder ich melde Sie Sir Peter. Er hält Sie vielleicht für ein Genie, das es mit Ryman aufnehmen kann, aber für mich sind Sie einfach nur ein fauler Sack. Und ein geiler Bock.«
    Er fing an zu schnauben und hob beide Hände wie ein gruseliger Puppenspieler, der unsichtbare Marionetten tanzen ließ. Der arme Mann hatte sich so in Rage geredet, dass er einen Moment Luft holen musste. Da ich nicht wusste, wie ich reagieren sollte, nutzte ich den Augenblick, um meine Sachen zusammenzusuchen und den Schuppen zu

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