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Die Gerechten

Die Gerechten

Titel: Die Gerechten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bourne
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manchmal zu Dutzenden in einem Massengrab, ohne auch nur einen Sarg für sich zu haben. Mr. Samak fällt das Verdienst zu, dieser Praxis ein Ende gemacht zu haben – und das praktisch allein. Er bezahlte nicht mir die Bestattungskosten, sondern sorgte auch für eine Trauergemeinde, und nicht selten bezahlte er den ›Trauergästen‹ ein paar Dollar dafür, dass sie dazu erschienen. ›Wir verdanken es dem Bestatten, sagt ein Arzt, ›dass hier niemand mehr wie ein Hund verscharrt wurde, allein und unbetrauert.«‹
    Will hatte genug gehört. Er bedankte sich bei Andy, sprang die Stufen hinunter und ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen. Erst Macrae, dann Baxter und jetzt Samak. Nicht einfach gute Menschen, sondern Menschen, die auf außergewöhnliche und eigenartige Weise gut gewesen waren. Das war kein Zufall mehr.
    Er ging in einen Laden, kaufte zwei Flaschen Eistee und kehrte in die Bibliothek zurück; er musste TC die Neuigkeiten erzählen und herausfinden, wie sie mit der Zeichnung zusammenhingen. Ganz sicher würde sich bald alles zusammenfügen.
    Aber jetzt erblickte er eine Gestalt, die bis dahin nur am Rande seines Gesichtsfelds gelauert hatte. Als habe er Angst, gesehen zu werden, drückte sich ein hoch gewachsener- Mann in Jeans und einem weiten grauen Kapuzen-Sweatshirt in den Schatten. Alter, Hautfarbe und Gesicht waren unter der Kapuze nicht zu erkennen. Aber eins war klar: Er verfolgte Will.

38
    SONNTAG, 15.51 UHR, MANHATTAN
    Will ging schnurstracks die Treppe hinauf, ohne sich umzusehen, und lief ins Gebäude. Er spürte es, bevor er es hörte: das Klappern der Schritte hinter ihm auf dem kalten Steinboden. Er nahm Kurs auf die erstbeste Treppe und warf vom ersten Absatz aus einen verstohlenen Blick nach unten. Wie er es befürchtet hatte, war die graue Kapuze hinter ihm.
    Im Laufschritt eilte er die beiden nächsten Treppen hinauf. Oben angekommen, flüchtete er sich in einen Raum voller Karteikartenkataloge und verlangsamte seinen Schritt. Trotzdem fühlte er sich zu laut, zu verschwitzt für die gedämpfte Konzentration, die den Saal erfüllte. Er schaute sich um: die Kapuze.
    Er ging wieder schneller, vorbei an einem großen Trompe-l’oeil-Gemälde, auf dem sich dunkle Wolken zusammenballten. Er ging auf die hintere Wand zu und erspähte eine Tür, aber als er hindurchging, sah er, dass es kein Ausgang war, sondern ein Fotokopierzimmer. Er machte kehrt, aber jetzt war der Kapuzenmann nur noch wenige Schritte entfernt.
    Will sah die Flügeltür und lief darauf zu. Dahinter wimmelte es von Leuten, die eine Arbeitspause genossen. Er schlängelte sich zwischen ihnen hindurch zum Treppenhaus auf der anderen Seite und galoppierte, immer zwei Stufen auf einmal, hinunter. Eine Frau, die einen Computermonitor trug, kam ihm in die Quere, und er wollte ihr ausweichen: Er sprang nach links, aber sie tat es auch; er machte einen Schritt nach rechts, und sie ebenfalls. Er drängte sich an ihr vorbei und hörte einen Aufschrei, gefolgt von einem dumpfen Schlag und klirrendem Glas. Sie hatte den Monitor fallen lassen.
    Jetzt war er in einem rückwärtigen Foyer mit einer großen Garderobe. Er lief hinein; hier begannen die regelmäßigen Bibliotheksbenutzer ihren Arbeitstag und deponierten ihre Taschen in gemieteten Schließfächern. Daneben gab es lange Garderobenstangen, an denen Mäntel hingen. Sie schlängelten sich durch den Raum wie in einer chemischen Reinigung. Der Mann mit der Kapuze kam auf ihn zu. Ruhig und gelassen.
    Will musste jetzt schnell handeln. Während der Dienstmann an der Garderobe gerade in die andere Richtung sah, sprang er über den hölzernen Tresen und stürzte sich in die Menge der Mäntel hinein. Zwischen einem schweren Anorak und einem abgerissenen Fellmantel presste er sich gegen die Rückwand des Raumes. Er spürte, dass sein Verfolger stehen geblieben war. Will vermutete ihn im Garderobenraum, wo er suchend über den Tresen spähte. Er bemühte sich, lautlos zu atmen.
    Plötzlich eine Bewegung. Der Dienstmann machte sich an den Mänteln zu schaffen. Er schob immer mehrere gleichzeitig zur Seite, auf der Suche nach einer Nummer. Will biss sich innen auf die Wange, um nur keinen Laut von sich zu geben. Aber der Dienstmann kam näher, noch näher, immer näher – bis er knapp einen Meter vor ihm stehen blieb. Will merkte, wie er eine Jacke herauszog und zurück zum Tresen ging.
    Dann ein grauer Schatten. Sein Verfolger – er war vorbeigegangen. Will atmete aus. Vielleicht

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