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Die Gerechten

Die Gerechten

Titel: Die Gerechten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bourne
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einfacheren Weg gegeben haben.«
    Will hatte gesagt, sie solle nach Hause fahren und sich ausruhen, aber sie hatte abgelehnt. »Ich habe hier noch etwas zu erledigen«, sagte sie, als sie einander an der Straßenecke umarmten. »Es gibt ein paar Leute, die ich besuchen muss.« Umgeben von Polizisten und blitzenden Blaulichtern wünschte er ihr viel Glück.
    »Ach, und – Will?«
    »Ja?«
    »Darf ich dich um etwas bitten? ich habe nachgedacht. Ich bin nicht mehr Tova Chaya. Aber TC klingt auch nicht nach mir, sondern eher wie eine Tarnung. Also. Nennst du mich Tova?«
    Vor sechs Monaten.
    »Okay, Leute. Aufgepasst.« Will Harden rief die Kollegen zur Ordnung und riss Will aus seinen Tagträumen. »Es wird Zeit, einen aus unserer Mitte hinauszuwerfen. Also versammelt euch bitte in liebevollem Gedenken an Terence Walton!«
    Bald darauf hatten sich ungefähr dreißig Leute in der Lokalredaktion versammelt, und Harden ließ Waltons Karriere bei der Times im Galopp Revue passieren.
    »Eins muss man diesem Kerl lassen: Er ist vielseitig. Er hat so ziemlich jeden Job bei dieser Zeitung schon gemacht: Polizeireporter, Politikberichterstatter, Wirtschaftsredaktion, überregionaler Redakteur, Korrespondent in New Delhi – was immer euch einfällt, er hat’s gemacht. Würdet ihr glauben, dass der Typ zwei Jahre lang die Rätselseite im Magazin verantwortet hat? Hat sogar die verdammten Kreuzworträtselfragen selbst geschrieben. Und jetzt hat er beschlossen, dass er von unserer schönen Stadt die Nase voll hat und seine Talente den guten Leuten in Indien zur Verfügung stellen will. Er wird dort Journalisten ausbilden und ihnen alle seine schlechten Gewohnheiten beibringen. Aber wir sind ihm dankbar. Also erheben wir alle unseren Pappteller mit Kaufhauskuchen und sagen: Auf Terry!«
    »Auf Terry!«, antwortete alles im Chor, und dann wurde nach einer Rede gerufen. Walton tat ihnen den Gefallen: Er erzählte von früheren Kollegen, von denen viele längst nicht mehr da und Will ganz unbekannt waren, und riss ein paar bissige Witze über die Geschäftsführung. Dann kam er zum Schluss.
    »Wenn ich in Yale irgendetwas gelernt habe, dann das: Besser eine kurze Rede als ein langer Vortrag. Und wie sagt die Bibel? ›Brüder, die Zeit ist kurz.‹ Ich fliege noch heute Abend nach Delhi. Deshalb höre ich jetzt auf. Es war mir eine Freude und ein Privileg …«
    Freundlicher Applaus brandete auf, und sogar Amy Woodstein gestattete sich einen kurzen Jubelruf – aber vielleicht war sie auch nur erleichtert, Walton gehen zu sehen. Will machte sich über seinen Kuchen her, schüttelte seinem Schreibtischnachbarn die Hand und wünschte ihm alles Gute.
    Vielleicht lag es an der Bemerkung über Yale, aber fünf Minuten später hatte Will einen Einfall, ein Überbleibsel aus der Zeit vor sechs Monaten. Noch immer am Zuckerguss seiner Möhrentorte knabbernd, setzte er sich an seinen Computer, gab »Kirche des Wiedergeborenen Jesus« ein und suchte in den Ergebnissen, bis er die Diskussionsgruppe gefunden hatte, die Tom entdeckt hatte: die mit dem Foto von Reverend Jim Johnson und seinen Anhängern.
    Jetzt fiel sein Blick sofort auf seinen Vater. So ernst, schon damals. Dann schaute er Townsend McDougal an und betrachtete schließlich methodisch die hintere Reihe von rechts nach links. Gesicht für Gesicht für Gesicht …
    Er vergrößerte das Bild. In der mittleren Reihe, die Nummer vier neben McDougal, fand er ihn. Mit seinen langen Hippiehaaren war er fast nicht zu erkennen; beim letzten Mal hatte er ihn jedenfalls nicht entdeckt. Aber das herablassende Lächeln war unverkennbar: Terence Walton.
    Plötzlich lief ihm ein Schauer über den Rücken. Waltons Stimme klang ihm in den Ohren. Was hatte er vor wenigen Augenblicken gesagt? »Wie sagt die Bibel? ›Brüder, die Zeit ist kurz.«‹ Er kannte diesen Satz. Es war die SMS, die der geheimnisvolle Informant ihm geschickt hatte, als er in Polizeihaft gewesen war. Ein Zitat aus dem Brief des Apostels Paulus an die Korinther.
    Will lehnte sich zurück, und ein müdes Lächeln trat auf seine Lippen. Was hatte Harden gesagt? Walton hatte jeden Job bei dieser Zeitung irgendwann gemacht – einschließlich der Rätselseite. Er hatte sogar die Kreuzworträtselfragen selbst geschrieben.
    »Verdammt«, sagte Will laut. »Er war’s.«
    Ein Gründungsmitglied der Kirche des Wiedergeborenen Jesus mit einem Talent für Rätsel. Plötzlich spürte Will keinen Zweifel mehr. Hör nicht auf. Zehn

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