Die Gerechten
Sprüche. Sind Menschen nur, die Zahl ist klein. Walton hatte alles gewusst, und er hatte es weitergeben wollen. Er musste Angst gehabt haben. Zu viel Angst, um irgendjemandem einen direkten Hinweis zu geben. Wenn der Apostel oder seine Gorillas seinen Verrat entdeckt hätten, hätten sie ihn ohne Zögern umgebracht. Kein Wunder, dass er zu verschlüsselten Mitteilungen gegriffen hatte.
Aber warum Will? Warum hatte er ausgerechnet ihm diese Hinweise gegeben? Er musste Wills Storys gelesen haben und zu dem Schluss gekommen sein, dass er den Morden an den Gerechten auf die Spur gekommen war. Hör nicht auf. Das bezog sich nicht auf die Suche nach Beth, sondern auf die Geschichte der Lamedvav. Hör nicht mit Baxter und Macrae auf. Bald mehr. Kein Wunder, dass er Wills Notizbuch gestohlen hatte: Er hatte wissen wollen, was Will wusste. Vielleicht hatte er es sogar in Sicherheit bringen wollen.
Dann kamen ihm Zweifel. Wenn Walton der Informant war, ein Maulwurf in Johnsons Zirkel – warum hatte er sich dann nach der Baxter-Story über Will lustig gemacht? Er hätte ihn doch eher ermutigen müssen.
Dann erinnerte er sich, was er gesagt hatte, nachdem die Macrae-Story auf die Seite eins gekommen war. Er hatte über sein Anfängerglück gespottet: Es ist sehr schwer, diesen Trick zweimal abzuziehen, hatte er gesagt. Aber genau das hatte Will getan, als er über Pat Baxters Leben und Tod berichtet hatte. Walton hatte ihm praktisch einen Plan gezeichnet – und Will war ihm gefolgt.
Als er den Baxter-Artikel gelesen hatte, musste ihm klar geworden sein, dass Will der Mann war, der die Kirche des Wiedergeborenen Jesus entlarven konnte. Der seinen eigenen Vater entlarven konnte. Oder hatte Waltons Plan etwa noch früher eingesetzt? Hatte er die Baxter-Story gedeichselt? Was hatte Harden gesagt, als er Will in den Westen entsandt hatte? Ich hab alle meine Reserven durchwühlt und ihnen Walton angeboten, aber der hatte irgendeine lahmarschige Ausrede und hat Sie vorgeschlagen. War das möglich? Hatte Walton den Auftrag abgewimmelt, weil er wusste, dass Will an seiner Stelle gehen – und über die Baxter-Story stolpern würde?
Er musste ihn fragen, jetzt gleich. Er drehte sich zu Waltons Schreibtisch um, der jetzt noch aufgeräumter aussah als sonst. »Hey«, rief er zu Amy hinüber, »wo ist Terry?«
»Schon weg. Anscheinend geradewegs zum Flughafen.«
Es war zu spät. Enttäuscht sackte Will auf seinem Stuhl zusammen. Gern hätte er sich bei Walton bedankt und ihm tausend Fragen gestellt. Jetzt würde er nie mehr Gelegenheit dazu haben.
»Schade. Ich wollte mich richtig von ihm verabschieden.«
»Hat er dir kein Geschenk hinterlassen? Ich hab ein Buch bekommen.« Sie hielt es hoch. »Die Kunst des Jonglierens: Wie man die Balance zwischen Arbeit und Familie hält. Vielen, vielen Dank, Terry.«
Will sah es erst jetzt. Ein säuberlich verpacktes Paket auf der Trennwand zwischen ihren beiden Schreibtischen.
Er holte es herunter und riss das Papier ab. Eine braune Schachtel, höchstens fünfzehn Zentimeter im Quadrat. Er öffnete den Deckel. Watte. Darunter fand er etwas, das aussah wie ein Schreibtischspielzeug, ein Gyroskop vielleicht. Erst als er es aus der Schachtel genommen hatte, begriff er, was Walton ihm geschenkt hatte.
Es war ein Modell der Atlasstatue vor dem Rockefeller Center. Ein Mann, der das Universum auf den Schultern trug und die Welt aufrecht hielt. Ein Zettel lag dabei.
Eine alte jüdische Lehre besagt: Wer eines Menschen Leben rettet, der rettet die ganze Welt. Das eine haben Sie getan, das weiß ich. Und vielleicht haben Sie beides geschafft. Viel Glück. T.
Will stellte das Modell auf seinen Schreibtisch neben die Schneekugel mit Saddam Hussein, die er Walton gestohlen und nie zurückgegeben hatte. Woodstein’sche Maßstäbe hatte er noch nicht erreicht, aber allmählich entwickelte er seine eigene, persönliche Ecke im Revier der Redaktion. Der Ehrenplatz gehörte einem gerahmten Foto von Beth, auf dem die Wölbung ihres Bauches deutlich zu sehen war. Daneben stand ein Bild von Will und seiner Mutter. Und daneben wartete ein leerer Rahmen auf das Bild des kleinen Jungen, den er jetzt schon liebte.
Danksagung
Jedes Buch, habe ich festgestellt, ist eine Gemeinschaftsarbeit, und dieses hier ist keine Ausnahme. Eine ganze Reihe von Leuten hat mich in einem für mich neuen und komplexen Prozess begleitet, und ich schulde ihnen meinen Dank.
An erster Stelle steht die chassidische Gemeinde von
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