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Die Gerechten

Die Gerechten

Titel: Die Gerechten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bourne
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New York war es Mittag –, sah er, dass auf seinem Handy keine entgangenen Anrufe angezeigt waren. Er griff zu seinem Blackberry, aber da waren nur unwichtige E-Mails. Irgendetwas war nicht in Ordnung.
    Er holte seinen Laptop vom Tisch auf das Bett, bis das Kabel sich straff spannte. Er rief die Website der Times auf: Keine Spur von seiner Story. Er klickte sich weiter zum Inlandsteil: Links zu Storys aus Atlanta, Chicago und Washington D.C. Er klickte und klickte – da war etwas aus Seattle. Aber es war nur eine AP-Meldung, am Morgen verfasst. Sein eigener Artikel war nicht zu finden.
    Er rief Beth an. Die Klinik musste sie über den Pager ans Telefon rufen.
    »Hi, Baby. Hast du heute schon die Zeitung gesehen?«
    »Ja, es geht mir gut, danke. Wie nett, dass du danach fragst.«
    »Entschuldige, es ist nur … hast du die Zeitung da?«
    »Nein, aber ich kann eine holen. Warte.« Eine lange Pause. »Okay. Was soll ich suchen?«
    »Irgend was von mir.«
    »Danach hab ich heute Morgen schon gesucht. Hab aber nichts gefunden. Ich dachte, vielleicht arbeitest du heute noch dran.«
    Will schnalzte leise mit der Zunge: Natürlich würde er heute nicht mehr daran arbeiten. Es war ein tagesaktueller Bericht – über das Wetter, Herrgott nochmal. Im Journalismus gab es keine verderblichere Ware als Meldungen über das Wetter.
    »Hast du im Inlandsteil nachgesehen? Auf jeder Seite?«
    »Ja, Will. Es tut mir Leid. Heißt das, sie haben’s nicht gebracht?«
    Genau das hieß es: Seine Story war gekippt worden.
    Er atmete tief durch, um sich für den Anruf in der Redaktion zu wappnen. Wenn sich jemand anders als Jennifer, die Sekretärin, melden sollte, würde er auflegen.
    »Inland?« Es war Jennifer.
    »Hi, Jennifer. Will Monroe hier. In Seattle.«
    »Oh, hi. Wollen Sie mit Susan sprechen?«
    »Nein! Nein, nicht nötig. Ich hab nur eine kurze Frage. Das Stück, das ich Ihnen gestern gemailt hab – über das Hochwasser? Wissen Sie, was daraus geworden ist?«
    Jennifers Stimme wurde leiser.
    »Sozusagen, ja. Ich hab gehört, wie sie darüber sprachen. Es sei ganz ordendich und so weiter, aber Sie hätten vorher nicht mit ihnen darüber gesprochen. Wenn Sie es getan hätten, hätten sie Ihnen gesagt, dass sie gestern keine Story brauchten.«
    »Aber ich hab doch …« Natürlich. Er hatte nur mit Jennifer telefoniert und ihr gesagt, wo er war und was er vorhatte. Er hatte einfach angenommen, dass er etwas abliefern sollte. Hatte Harden nicht gesagt, er sollte seine Gummistiefel einpacken?
    Jetzt ging ihm ein Licht auf: Er war nur für alle Fälle hier. Er hielt Bates den Platz warm. Die ganze Quälerei im kalten Wasser war umsonst gewesen. Wie peinlich – er hatte sich benommen wie ein übereifriger Praktikant. Ein dummer Fehler.
    »Warten Sie, Susan will mit Ihnen sprechen.«
    Drei Zeitzonen weiter machte Will sich auf eine Abreibung gefasst.
    »Hi, Will.« Die Leiterin der überregionalen Redaktion war am Apparat. »Hören Sie. Lassen Sie uns so verfahren, dass Sie nichts einreichen, wenn wir nicht vorher darüber gesprochen haben. Okay? Vielleicht suchen Sie sich was, das Sie interessiert, stochern ein bisschen herum und stellen fest, ob es sich lohnt. Und was aktuelle Nachrichten angeht: Lassen Sie Ihr Telefon eingeschaltet, und wir rufen Sie an, wenn wir etwas brauchen.«
    Will frühstückte niedergeschlagen. Er hatte Mist gebaut, und zwar großen. Inzwischen würde Jennifer die Geschichte im kleinen Kreis der Jungredakteure bei der Times herumerzählt haben, und sie würden sich auf seine Kosten kaputtlachen. Der Golden Boy mit dem einflussreichen Daddy war auf den Boden zurückgeholt worden.
    Es gab nur eine Lösung. Er musste eine richtige Story an Land ziehen. Irgendwie musste er in dieser entlegenen Gegend voller Schnee, Wald und Kartoffeln eine Geschichte finden, die den Leuten in New York beweisen würde, dass sie keinen Fehler gemacht hatten. Und er wusste auch schon, wo er anfangen würde.

8
    MITTWOCH, 3.13 UHR, BUNDESSTAAT WASHINGTON
    Der Flug über den Staat Washington war kurz, aber unruhig, die Fahrt von Spokane aus atemberaubend. Die Berge waren so schön, dass es beinahe wehtat, und der Schnee auf den Gipfeln sah aus wie reinster Puderzucker. Die Bäume ragten bleistiftgerade auf, und sie standen so dicht beieinander, dass das Licht, das im Vorbeifahren zwischen ihnen hindurchstrahlte, stroboskopartig blitzte.
    Er fuhr nach Osten, und bald würde er in Idaho sein, in dem schmalen, lang gestreckten oberen

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