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Die Gerechten

Die Gerechten

Titel: Die Gerechten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bourne
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nächste. Und immer wieder ging er außerdienstlichen Tätigkeiten nach – ein Radioauftritt hier, ein hoch bezahlter Vortrag dort. Seine Arbeit von Delhi aus hatte höchstes Lob gefunden, und er wurde regelmäßig als Experte nachgefragt. Sein Buch, Terence Waltons Indien, hatte die amerikanische Öffentlichkeit mit einem Land bekannt gemacht, von dem sie kaum etwas wusste.
    Aber intern hatte man etwas weniger Hochachtung vor Walton. So viel hatte Will schon mitbekommen. Schon sein Arbeitsplatz bestätigte das: Als zurückgekehrter Auslandskorrespondent war er hier neben dem jüngsten Rekruten der Lokalredaktion platziert. Das war kaum die Behandlung, die man einem Star entgegenbrachte. Was Walton wirklich getan hatte, um diese Herabsetzung zu verdienen, wusste Will noch nicht.
    »Wir haben schon über Ihren Frontpage-Triumph gesprochen. Gute Arbeit. Natürlich gibt es Zweifler und Skeptiker, die sich fragen, welchen Nährwert diese Geschichte haben soll, aber zu denen gehöre ich nicht. Nein, William, ich nicht.«
    »Will. Ich heiße Will.«
    »Das scheint der Chef anders zu sehen. Da sollten Sie vielleicht mal mit ihm reden. Wie auch immer – ich stelle nur die Frage: Was sucht eine solche Story auf,der Seite eins dieser Zeitung? Ich fürchte, unser neuer Chef hat die Bedeutung der unteren linken Spalte noch nicht ganz verstanden. Sie ist nicht für amüsante oder interessante ›Facetten des Lebens‹. Sie soll ein Fenster in eine neue Welt sein.«
    »Ich glaube, das war mein Artikel auch. Er hat ein Stereotyp über das Großstadtleben von New York korrigiert. Der Tote schien eine Schmuddelexistenz zu sein, aber er war eben besser, wissen Sie.«
    »Ja, das ist wunderbar. Und großartig geschrieben! Erstklassige Arbeit. Aber vergessen Sie nicht, was man über Anfängerglück sagt: Es ist sehr schwer, diesen Trick zweimal abzuziehen. Ich glaube, dass selbst Sie nicht allzu viele ›Geschichten über alltägliche Menschen‹« – er sprach diese Worte mit zuckersüßer Stimme aus – »finden werden, die bei der New York Times auf Interesse stoßen. Zumindest nicht bei der New York Times, bei der ich immer gearbeitet habe. Einmal ist ein Erfolg, William – zweimal wäre ein Wunder.«
    Will wandte sich wieder seinem Computer zu und warf einen Blick in den E-Mail-Posteingang. Woodstein, Amy. Im Betrefffeld stand: Kaffee?
    Fünf Minuten später stand er in der riesigen Kantine der Times, die zu dieser Vormittagsstunde ziemlich verlassen war. Er ging vor den Vitrinen auf und ab, in denen T« rø«-Merchandise angeboten wurde: Sweatshirts, Baseballkappen, Spielzeugmodelle alter Ti?nes- Lieferlastwagen. Amy erschien neben ihm; sie hatte eine Tasse Kräutertee in der Hand.
    »Ich wollte Ihnen nur sagen, dass es mir Leid tut, was ich eben gehört habe. Das ist der Nachteil bei der Arbeit hier: eine Menge Testosteron, wenn Sie wissen, was ich meine.«
    »Das war schon in Ordnung –«
    »Die Leute hier sind sehr konkurrenzbewusst. Terry Walton ganz besonders.«
    »Den Eindruck hab ich allerdings auch.«
    »Kennen Sie seine Geschichte?«
    »Ich weiß nur, dass er in Delhi war und dass er sozusagen gezwungenermaßen zurückgekommen ist.«
    »Man hat ihm Spesenbetrug vorgeworfen. Beweisen konnte man nichts, und deshalb ist er noch beim Blatt. Aber Vertrauensprobleme gibt es auf jeden Fall.«
    »Im Zusammenhang mit Geld, meinen Sie?«
    »O nein, es geht nicht nur um Geld.« Sie lachte ein wenig bitter.
    »Um was dann?«
    »Hören Sie, ich hab’s Ihnen nicht gesagt, okay? Aber ich rate Ihnen, Ihre Notizbücher einzuschließen, wenn Terry in der Nähe ist. Und sprechen Sie am Telefon lieber leise.«
    »Kapier ich nicht.«
    »Terry Walton klaut Storys. Dafür ist er berühmt. Als er im Nahen Osten war, hieß er nur ›Der Dieb von Bagdads«
    Will lächelte.
    »Das ist eigentlich nicht sehr komisch«, sagte Amy. »Es gibt Journalisten auf der ganzen Welt, die die ganze Nacht von Terry Walton und seinen Untaten erzählen könnten. Will, ich meine es ernst: Schließen Sie Ihre Notizen weg, Ihre Unterlagen, alles. Er wird sie lesen.«
    »Deshalb schreibt er so.«
    »Wie?«
    »Walton hat eine winzige Handschrift, absolut nicht zu entziffern. Das macht er absichtlich, ja? Damit niemand seine Notizen lesen kann?«
    »Das weiß ich nicht. Ich sage nur: Seien Sie vorsichtig.«
    Als er wieder in die Redaktion zurückkam, sah er, wie Glenn Harden ein Post-it an seinen Monitor klebte. Besuchen Sie mich doch mal.
    »Ah, da sind Sie ja«,

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