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Die Gerechten

Die Gerechten

Titel: Die Gerechten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bourne
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Antworten?«
    Daran hatte Will noch nicht gedacht, aber sie hatte Recht. Auf »Antwort« drücken, eine SMS zurückschicken und sehen, was passieren würde. Wer sind Sie? Das könnte JJ verschrecken. Was soll ich tun?
    Er durfte jetzt nichts falsch machen. »Was meinst du?«
    »Ich meine, ich brauche jetzt einen Kaffee.« Sie schaltete die Maschine und – offensichtlich aus reiner Gewohnheit – das Radio ein. Es war ein großes, altmodisches Gerät, mit Farbe bespritzt wie das Radio eines Bauarbeiters.
    Will ließ sich auf das Sofa fallen und wartete auf eine Eingebung. Irgendetwas musste ihm einfallen, damit diese Qual zu Ende wäre. Beth hatte jetzt eine Nacht in Gefangenschaft verbracht. Der Himmel wusste, wo und in welchem Zustand sie war. Er hatte gesehen, wie skrupellos diese Leute sein konnten, als sie ihn bis zur Bewusstlosigkeit ins eisige Wasser tauchten. Welche Schmerzen mochten sie Beth zufügen? Welche Vorschriften würden ihnen erlauben, eine Frau zu verletzen, die, wie sie selbst zugaben, nichts Böses getan hatte? Er stellte sich vor, wie groß ihre Angst sein musste. Denk nach!, drängte er sich. Denk nach! Aber er starrte nur auf sein Handy mit der knappen, verschlüsselten Ermutigung – Don ’t stop – und auf seinen Blackberry, der bisher nur schlechte Neuigkeiten gebracht hatte. Beide schwiegen beharrlich.
    Im Radio plärrte irgendeine Erkennungsmelodie und kündigte den Beginn einer neuen Sendung an. Will sah auf die Uhr. Es war neun.
    Guten Morgen. Hier sind die Nachrichten zum Wochenende. Der Präsident kündigt eine neue Initiative im Nahen Osten an. Der Kongress der Südstaaten-Baptisten eröffnet einen Feldzug gegen den so genannten »Hollywood-Schmutz«. Und aus London weitere Enthüllungen zum Skandal des Jahres.
    Das meiste bekam Will nicht mit, aber die neuesten Nachrichten über Gavin Curds erregten seine Aufmerksamkeit. Wie sich herausstellte, hatte der rotgesichtige Geistliche, den Will am Abend zuvor im Fernsehen gesehen hatte, Recht gehabt: Curtis hatte ungeheure Summen aus öffentlichen Kassen abgezweigt. Nicht nur ein paar Millionen, was ihn schon reich genug gemacht hätte, sondern immer wieder Hunderte von Millionen. Anscheinend war das Geld auf ein Nummernkonto in Zürich geflossen. Der bescheidene Schatzkanzler Curtis, der in einem unauffälligen Auto durch die britische Hauptstadt gefahren war, hatte sich zu einem der reichsten Männer der Welt gemacht.
    In seiner augenblicklichen Stimmung fand Will sogar diese Nachricht persönlich deprimierend. Sie bestätigte in großem Maßstab alles, was er in den letzten vierundzwanzig Stunden gelernt hatte. Man konnte niemandem trauen, jeder führte etwas Böses im Schilde. Wie um sich selbst zur Ordnung zu rufen, erinnerte er sich an Howard Macrae und Pat Baxter. Beide hatten Gutes getan – aber sie waren Ausnahmen.
    »Sschh. Hör zu.«
    TC hielt einen leeren Kaffeebecher auf halber Höhe vor sich, als könne schon das Abstellen zu viel Lärm machen und das Radio übertönen. Sie drehte das Radio lauter. Will erkannte die Stimme des Nachrichtensprechers von WNYC, der die Lokalmeldungen verlas.
    Interpol unternahm heute Morgen einen seltenen Ausflug nach Brooklyn, in das hauptsächlich von Chassiden bewohnte Viertel Crown Heights. Nach Angaben einer Sprecherin des NYPD wurde in Zusammenarbeit mit der thailändischen Polizei in einem Mordfall ermittelt. NYPD-Sprecherin Lisa Rodriguez zufolge wurde der Leichnam eines bedeutenden thailändischen Geschäftsmannes im Bangkoker Zentrum der Chassiden entdeckt. Der Mann wurde seit mehreren Tagen vermisst und war vermutlich das Opfer einer Entführung. Der zuständige Rabbiner des Zentrums in Bangkok befindet sich in Untersuchungshaft, und die thailändischen Behörden haben über Interpol das NYPD ersucht, im internationalen Hauptquartier der Chassiden hier in New York weitere Ermittlungen anzustellen.
    Das Wetter: In Manhattan ist auch heute wieder mit kühlem …
    TC war blass. »Ich muss hier raus«, sagte sie abrupt. Es klang erstickt, beinahe panisch. Sie lief umher und sammelte alles Wichtige ein – Handtasche, Telefon –, und Will sah gleich, dass es nichts zu verhandeln gab. Sie gingen.
    Als er sie beobachtete, bekam er Angst. TCs Reaktion war nicht misszuverstehen: Sie glaubte, Beth sei ermordet worden, oder man werde sie noch umbringen. Bis jetzt war es ihm nicht klar gewesen, aber TCs bisher beinahe unbekümmerte Ruhe war ebenso aufreizend wie tröstlich gewesen. Vielleicht

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