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Die Gerechten

Die Gerechten

Titel: Die Gerechten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bourne
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war es doch nicht so schlimm, schien sie auszudrücken. Aber als er sah, wie TC das eiserne Ziehharmonikagitter des Aufzugs zuschob und ungeduldig auf die Knöpfe drückte, damit das verdammte Ding schneller fuhr, wusste er sich dieser Illusion beraubt. Seine Hände wurden feucht. Während er den Amateurdetektiv spielte, war seine geliebte Beth vielleicht erwürgt oder ertränkt oder erschossen worden … Er schloss vor Entsetzen die Augen. Mehr als gestern, weniger als morgen.
    Draußen packte TC sein Handgelenk. Sie ging nicht neben ihm her, sondern schleifte ihn hinter sich her wie eine Mutter, die ihr widerstrebendes Kind in den Kindergarten bringt. »Wo gehen wir denn hin?«, fragte er.
    »Wir werden jetzt auf ihr eigenes Spiel einsteigen, aber auf unsere Art. Mal sehen, wie ihnen das gefällt.«
    Zwei Straßen weiter war das NetZone, ein Internetcafé, in dem es tatsächlich Kaffee gab und außerdem eisgekühlte Smoothies »aus Früchten, aus ganzen Früchten und nichts als Früchten«, wie die Werbung behauptete. Neben modisch verschlissenen Sesseln lagen einladende Stapel der New York Times mitsamt Sonntagsmagazin und der Kunst-und-Freizeit-Beilage, die üblicherweise schon vierundzwanzig Stunden im Voraus erschien. Das Net Spot am Eastern Parkway schien sehr weit weg zu sein.
    Aber TC war nicht hier, um Cappuccino zu trinken. Sie war auf einer Mission. Nachdem sie die Gebühr bezahlt hatte, setzte sie Will an ein freies Terminal.
    »Okay, log dich ein.«
    Will wusste plötzlich wieder, wie es gewesen war, als er mit ihr zusammen war. Er hatte sich immer gefühlt, als sei er der Juniorpartner und sie die Chefin. Er hatte immer gedacht, es liege daran, dass sie eine geborene New Yorkerin und er ein Zugereister war; sie kannte sich aus in einem Land, das ihm fremd war, und er hatte sich gefugt. Aber jetzt war er seit sechs Jahren in Amerika, und sie machte es immer noch so. Sie war einfach gern der Chef, begriff er.
    »Moment«, sagte er. »Lass uns erst darüber reden. Was genau soll ich denn tun?«
    »Log dich in deine E-Mail ein, und ich zeig’s dir.«
    Will wollte sich weigern und sich dem Kontrollzwang, den er an seiner Exfreundin nach all den Jahren erneut erkannte, widersetzen. Aber es gab wichtigere Schlachten zu schlagen. Eine triviale Frage kam ihm in den Sinn. »Warum müssen wir das hier tun? Warum benutzen wir nicht einfach den Blackberry?«
    »Weil ich nicht denken kann, wenn ich mit den Daumen tippe. Jetzt log dich schon ein.«
    Gehorsam gab er die Buchstabenkombination ein, die es den Mitarbeitern der New York Times erlaubte, von außen auf ihre E-Mail zuzugreifen. Name, Passwort, und er hatte seinen Posteingang vor sich. Nichts Überraschendes – nur die Liste von eingegangenen E-Mails, die er schon auf dem Blackberry gesehen hatte.
    »Wo ist die letzte Nachricht von den Entführern?«
    Will scrollte nach unten, bis er sie gefünden hatte: den Zeichensalat im Absenderfeld und den Betreff »Beth«. Er öffnete die Nachricht.
    WIR WOLLEN KEIN GELD.
    Die Nachricht aus Thailand ließ diesen Satz nur noch grausamer aussehen. Wenn sie kein Geld wollten, worauf hatten sie es dann abgesehen? Auf die reine, kranke Lust am Töten? Will spürte, wie ihm Zorn und Verzweiflung das Blut in den Kopf steigen ließen.
    »Okay, jetzt auf den ›Antwort‹-Button klicken.«
    Will tat es, TC schob ihn beiseite und setzte sich neben ihn auf den Stuhl, sodass sie einander von den Knien bis zu den Schultern berührten. Sie zog das Keyboard zu sich herüber und fing an, mit zwei Fingern zu tippen.
    Ich bin Ihnen auf der Spur. Ich weiß, was Sie in Bangkok getan haben, denn Sie tun das Gleiche hier in New York. Ich werde zur Polizei gehen und sagen, was ich weiß. Dann wird man wegen zwei schwerer Straftaten gegen Sie ermitteln, nicht zu reden von Freiheitsberaubung und Körperverletzung in meinem Fall. Sie haben Zeit bis heute Abend, einundzwanzig Uhr, um mir meine Frau zurückzugeben. Andernfalls werde ich reden.
    Will las den Text zweimal und sah TC an, die unverwandt auf den Monitor schaute. Ihr Profil war nur ein paar Handbreit entfernt, und an ihrem Nasenflügel funkelte ein winziger Diamant. Schon so oft hatte er ihr Gesicht aus diesem Blickwinkel gesehen, und es war merkwürdig, es jetzt nicht zu küssen.
    »Meine Güte«, sagte er schließlich. »Das klingt ziemlich heftig.« Vielleicht war es doch zu explizit, sein Erlebnis vom vergangenen Abend zu erwähnen. Er erinnerte sich an eine Vielzahl von

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