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Die Gerechten

Die Gerechten

Titel: Die Gerechten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bourne
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Anzug, Filzhut. In Handschellen wurde er von zwei finster blickenden thailändischen Polizisten abgeführt. Er hielt entschlossen den Kopf gesenkt – aus Scham, oder um nicht erkannt zu werden. Es war ein bizarres Bild. Als Nächstes sah man Polizisten des NYPD, die zu Fuß in Crown Heights erschienen, statt wie üblich mit ihren Streifenwagen aufzukreuzen – eine Geste der »Rücksichtnahme«, die anscheinend vom Büro des Bürgermeisters angeordnet worden war.
    Die Fernsehbilder ließen eine Diskussion aufflammen, die Will und TC im Laufe des langen Nachmittags schon ein paar Mal geführt hatten.
    »Ich sollte wieder hinfahren, und zwar auf der Stelle.«
    »Und was willst du da tun? Dich noch einmal unter Wasser tauchen lassen?«
    »Nein. Ich würde ihnen sagen, was ich – was du in der E-Mail geschrieben hast. Dass ich weiß, was sie tun, und dass sie einen Handel mit uns abschließen sollen.«
    »Das ist zu riskant. Du könntest etwas Falsches sagen, und dann eskaliert die Situation weiter. Der Vorteil der E-Mail besteht darin, dass wir genau kontrollieren können, was gesagt wird.« Was gesagt wird – das Feiglingspassiv. Offensichtlich wollte TC nicht gern zugeben, dass sie Will die Worte in den Mund gelegt hatte.
    »Ich kann Beth doch nicht einfach bei ihnen lassen. Wer weiß, wozu sie imstande sind, wenn sie sich jetzt unter Druck gesetzt sehen. Vielleicht rasten sie aus. Einer dieser Gorillas dreht dann vielleicht ein bisschen zu heftig an der Schraube oder hält ihren Kopf zehn Sekunden zu lange unter Wasser –«
    »Du fängst schon wieder an. Gerätst in Panik. Das ist wie beim Bergsteigen: niemals nach unten sehen. Du darfst an all das nicht denken. Außerdem wimmelt es da heute von Polizei; sie werden nicht wagen, irgendetwas zu tun, solange die da ist. Aus all den SMS von Josef Jitzhok geht eins ziemlich deutlich hervor: Es ist noch nichts entschieden. Nichts hat sich geändert, nichts Schreckliches ist passiert.«
    »Du glaubst bloß nicht, dass sie von Josef Jitzhok sind.«
    »Ich bin nicht sicher, das ist alles.«
    So war es schon ein paar Mal gegangen, und am Ende waren sie beide immer in ein mürrisches oder erschöpftes Schweigen verfallen. Jedes Mal dachte Will dann daran, dass es zwischen Beth und ihm nie Zank gegeben hatte. Diskussionen, ja, Streit, aber niemals Zank. Den hatten er und TC zu einer olympischen Disziplin entwickelt.
    Immer wieder störte eine neue SMS die Konzentration. Die Nachrichten, die Will anfangs mit nervöser Erwartung geöffnet hatte, wurden allmählich zur Routine, ja, sogar langweilig. Will ließ sich die neueste anzeigen.
    Wehe den Besiegten.
    Das klang bedrohlich – als fühlten die Entführer sich als Sieger, die mit Beth anstellen würden, was sie wollten. Will spürte, wie sein Hass auf diese Leute wuchs.
    »Jetzt drohen sie uns.«
    »Wehe den Besiegten«, wiederholte TC langsam, was Will vorgelesen hatte. Als nehme sie ein Diktat auf. Will sah ein Gittermuster auf ihrem Block, Zeile um Zeile ausgefüllt mit den Nachrichten von JJ.
    »Was hast du inzwischen raus?«
    »Die Zahlen haben überhaupt nichts gebracht. Ich hab versucht, Anagramme aus den Sätzen zu machen, aber es gibt keins, das einen Sinn ergibt. Ich hab sie als Akrostichon aufgeschrieben –«
    »Als was?«
    »Als Akrostichon. Die ersten Buchstaben eines jeden Satzes bilden ein Wort. ›Rosen sind rot‹ gibt ein R, ›Veilchen sind blau‹ gibt ein V. Manche Psalmen sind so angelegt. Fügt man die ersten Buchstaben der Zeilen aneinander, ergibt sich eine neue Zeile. Das war ein Trick: ein zwölfzeiliges Gedicht mit einer unsichtbaren dreizehnten Zeile.«
    »Verstehe. Und was ergibt sich dabei?«
    »Bisher? Wir haben G, Z, W, E, W. Also nichts.«
    »Worauf zum Teufel will er hinaus? Moment mal.« Wieder kam eine SMS.
    Müßiggang ist aller Laster Anfang.
    Will verlor allmählich die Übersicht. TC musste hier denken wie ein Großmeister auf einem Schachturnier, der in einem Saal umherspazierte und hundert Partien auf hundert Brettern gleichzeitig spielte. Sie hatten lange gebraucht, um eine einzige Message zu entziffern. Jetzt hatte sie sieben auf einmal.
    »Hör zu, Will. Wir können das alles erst entschlüsseln, wenn es aufhört. Immer wenn ich eine Theorie ausprobiere, kommt die nächste Nachricht, und alles ist geplatzt. Wir müssen warten, bis wir alle seine Nachrichten haben. Erst dann können wir herausfinden, was der Kerl uns sagen will.«
    »JJ.«
    »Wenn er es ist, ja.«
    »Fuck, wer

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