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Die Gerechten

Die Gerechten

Titel: Die Gerechten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bourne
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eine Erinnerung, die jahrelang vergraben gewesen war – die Erinnerung an die alternative Grammatik, die er und TC entworfen hatten und die den eigentlichen Gebrauch der Sprache reflektierte, die Art und Weise, wie Emotionen darin zum Ausdruck kamen. Da gab es das »aggressive Passiv«, den »präsumptiven Konjunktiv« und – Wills Lieblingsform – die »allzu vollendete Vergangenheit«, benutzt von Leuten, die in Nostalgie schwelgten. Wie sehr müssen wir anderen Leuten damit auf die Nerven gegangen sein, dachte Will, als er an die Welt der neunmalklugen Privatscherze dachte, die er und TC einmal zusammen bewohnt hatten.
    »Aber das macht es nur umso spannender«, sagte TC, ohne auf Wills »Feiglingspassiv« einzugehen. »Dann ist es keine Antwort. Es ist eine zweite Nachricht, die er von sich aus geschickt hat. Das lässt vermuten, dass es Josef Jitzhok einigermaßen dringend ist: zwei SMS an einem Morgen.«
    »Die letzte kann auch von gestern Abend stammen«, sagte Will. »Aber okay. Warum könnte es ihm dringend sein?«
    »Ich weiß nicht.« TC sprach leise; abwesend starrte sie auf Wills Handy und nahm ab und zu einen Schluck von ihrem Schoko-Shake. »Er hatte es eilig.«
    Sie drückte ein paar Tasten, schrieb etwas, drückte auf weitere Tasten. Ein kurzes Lächeln der Befriedigung, dann Stirnrunzeln.
    Da. Sie schob das Blatt über den Tisch.
    Two down. Move’s to come.
    Zwei erledigt. Bald mehr.
    Beide starrten die Lösung stumm an, und die Freude über die Entschlüsselung wich neuer Ratlosigkeit.
    »Er treibt Spielchen mit uns«, sagte Will. »›Schön, ihr habt zwei meiner Nachrichten entziffert. Ich schicke euch mehr.‹ Solange wir … ja, was sollen wir denn tun?«
    »Wir müssen ihn wissen lassen, dass wir es verstanden haben, aber dass wir weitere Informationen brauchen. Wir dürfen ihn nicht verärgern. Wenn er uns helfen will, müssen wir ihn bei Laune halten. Antworte ihm.«
    Will nahm das Telefon und warf TC einen Blick zu, der sagte: »Ich hoffe, du hast Recht.«
    Danke. Ich werde nicht aufhören. Und ich will mehr hören. Können Sie mir etwas sagen? Bitte.
    Jetzt konnten sie nur warten. TC war sicher, dass McDonald’s ein hinreichend anonymes Versteck war, aber Will war davon überzeugt, dass noch ein anderes Motiv dahinter steckte: Sie wollte ihn nicht in ihrer Wohnung haben. Es war eine Sache, ihn in ihrem Atelier auf dem Sofa schlafen zu lassen, aber in ihrer Wohnung ginge ihr die Intimität wohl doch zu weit. Er verstand es; in gewisser Weise teilte er ihre Bedenken.
    Aber irgendwo mussten sie warten. Wenn die Chassiden erst nach Sonnenuntergang oder nach dem Erscheinen der drei Sterne antworten konnten, blieb bis dahin nichts zu tun – es sei denn, Josef Jitzhok schickte ihnen noch eine seiner rätselhaften Nachrichten.
    Sie kam fast eine Stunde später und klang noch unsinniger als die ersten.
    Bake Noete Moped.
    Diesmal drückte Will die Tasten und notierte die Resultate auf seinem Block. Als er beim dritten Wort ankam, drehte sich ihm der Magen um. TC reckte den Hals, und als sie sah, was er geschrieben hatte, schnappte sie nach Luft. Bald neue Morde.

25
    SAMSTAG, 11.53 UHR, MANHATTAN
    Die anderen Gäste starrten sie entweder unverhohlen an oder taten, als merkten sie nichts. TC versuchte, Will zu beruhigen. Er hatte mit der Faust auf den Tisch geschlagen und dann einen Kaffeebecher an die Wand geschleudert. Eine Kellnerin erschien mit einem Wischmopp.
    »Wir müssen uns bemühen, einen klaren Kopf zu behalten«, sagte TC.
    »Wie soll ich einen klaren Kopf behalten? Fuck, das ist eine Morddrohung.«
    »Vielleicht will er uns warnen.«
    »Uns warnen? Er sagt, sie werden Beth umbringen.«
    Das Telefon vibrierte wieder. TC griff danach, bevor Will Gelegenheit dazu hatte. Zum ersten Mal ein Satz im Klartext.
    Aller guten Dinge sind drei.
    TC betrachtete den Satz nur einen Augenblick lang und suchte dann die Korrektur-Alternativen. »Aller« erbrachte gar keine, und die andern ergaben keinen Sinn. Nein, folgerte sie, das hier war eine neue Chiffre. Vielleicht war es noch nicht mal das. Vielleicht sollte es nur eine Warnung sein. Beeile dich, verschwende keine Zeit. Sie zeigte Will das Display. Irgendwie beruhigte es ihn: Eine direkte Drohung war hier nicht zu erkennen. Es klang eigentlich eher nach einer Aufforderung zum Handeln.
    TC betrachtete den Satz eine Zeit lang und schrieb ihn dann auf ihren Block unter die ersten drei Messages. Will sah, dass sie die verschlüsselten Worte

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