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Die Germanin

Titel: Die Germanin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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römischen Ansturm zu widerstehen. Da es jedoch zweifelhaft war, von welcher Seite man ihn erwarten musste, sollten Eilboten sicher sein, wo sie ihn finden würden, und ihn nicht suchen müssen. Er könnte dann rasch dort sein, wo er gebraucht wurde. Noch war er nicht wieder zum Heerführer gewählt, denn noch gab es keinen allgemein anerkannten Kriegsfall. Unzweifelhaft war hingegen, dass er auch dieses Mal wieder das Germanenheer anführen würde.
    Aber die Römer kamen noch immer nicht. Ein Sommer, ein Winter und ein weiterer Sommer vergingen. Wieder wurde es Herbst. Es war der fünfte Herbst nach dem großen Sieg.
    Eine Zeitlang war kein einziger Bote erschienen, jetzt aber ritt fast täglich einer auf den Herrenhof. Die Nachrichten, die die Männer brachten, lösten jedes Mal Freude und Jubel aus. Auf der anderen Seite des Rhenus waren Unruhen unter den römischen Legionen ausgebrochen. Der Caesar Augustus war gestorben, Tiberius als sein Nachfolger hatte sich noch nicht fest eingerichtet, die Truppen meuterten, die Säulen des Imperiums wankten.
    Arminius lud die Stammesführer der Nachbarschaft ein, um die Lage zu besprechen. Nur kurz war die Beratung unter dem breiten Blätterdach der Linde auf dem Herrenhof. Schnell wurde ein Beschluss gefasst. Mägde gingen mit Krügen herum und füllten die Trinkhörner mit Met. Arminius zog Nelda, die herbeikam, um einen verspäteten Gast zu begrüßen, neben sich auf die Bank.
    »Weißt du, was wir beschlossen haben? Wir rücken morgen früh aus!«
    »Wie? Zum Kampf?«, rief sie erschrocken.
    Er zog eine belustigte Miene. Ringsum wurde geschmunzelt.
    »Warum nicht? Die Römer sind so mit sich beschäftigt, dass sie gar nicht bemerken werden, wie wir uns nähern. Sie haben Wichtigeres zu tun: Sie erschlagen ihre Offiziere, weil sie den Drill nicht mehr ertragen, weil sie zu wenig Sold erhalten, weil die Strafen zu hart sind, weil die Dienstzeit zu lang ist. Übrigens dieselben Gründe, die viele bewogen, vor fünf Jahren zu uns überzugehen.«
    »Eigentlich müssen wir nicht mehr nachhelfen!«, rief der schon stark bezechte Inguiomer. »Sie bringen sich gegenseitig um!«
    Dafür gab es krachendes Gelächter.
    »Na, wenn das so ist«, sagte Nelda, die begriff, dass man sie hänselte, »dann braucht ihr ja morgen auch nicht auszurücken!«
    »Wir tun es trotzdem«, erklärte Arminius, wobei er den Arm um sie legte. »Zur Jagd! Wozu nennen wir uns die Hirschleute, wenn wir den Hirsch nicht jagen – zur besten Zeit! Endlich können wir das tun, ohne befürchten zu müssen, dass wir selber gejagt werden. Sogar von den Marsern hören wir, dass sich kein Römer bei ihnen im Grenzgebiet blicken lässt. Sie feiern das Tamfana-Fest, da soll es hoch hergehen.«
    »Die kennen kein Maß und ein Ende finden sie auch nicht!«, rief ein Alter entrüstet, bevor er ein riesiges Horn vom Auerochsen an die Lippen setzte und in einem Zug leerte.
    »Wer will es ihnen zum Vorwurf machen!«, fand Nelda. »Wie lange haben sie in Furcht gelebt. Sie wären ja die Ersten gewesen, die ein Angriff getroffen hätte.«
    »Ich habe trotzdem durch Boten veranlasst«, sagte Arminius, »dass sie nicht vergessen, Wachen aufzustellen. Und so halten wir es hier ebenfalls. Doch tüchtig feiern – das wollen auch wir endlich einmal, nach so langer Mühsal. In drei Tagen werden wir mit reicher Beute zurück sein! Das gibt ein Festmahl!«

 
20
     
    Am dritten Tag erwartete Nelda die Jäger.
    Alles war vorbereitet für das Fest. Becher und Schüsseln waren geputzt und Laubgirlanden über den Hof gespannt. Vorratskrüge mit Met, Wein und Bier standen kühl in den kleinen Grubenhäusern. Knechte und Mägde eilten umher, rückten Tische und Bänke. An Spießen wurden Hammel und Schweine für die hungrigen Rückkehrer zubereitet, später würde es Wildbret geben. Sogar ein Sänger hatte sich eingefunden, er saß abseits auf einem Stein und stimmte seine Harfe.
    Vielleicht zum letzten Mal in diesem Jahr wärmte die Sonne. Die Störche harrten noch immer in ihrem Nest auf einem der Wachtürme aus. Balken und Bäume zierten feine, zarte Gewebe der Spinnen.
    Nelda hatte ihr bestes Gewand angezogen, ein langes ärmelloses Leinenkleid von leuchtendem Gelb, mit Ginster gefärbt, das die Schultern freiließ und mit zwei rot schimmernden Fibeln von Almandin befestigt war. Silberschnallen schlossen die beiden Gürtel, einen unter den Brüsten, einen zweiten an den Hüften, damit sich das Tuch in schöne Falten legte. Ihr

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