Die Gerüchteköchin
sie. »Ich kann Em nicht in dem Glauben lassen, ich hätte ihren Vater ermordet. Das kann ich auch Mom nicht antun.«
Gran setzte sich im Bett auf und richtete ihren Finger auf Maddies Gesicht. »Du hörst mir jetzt zu. Es spielt keine Rolle. Nichts spielt eine Rolle, außer den Dingen, die du zum Überleben brauchst. Denk immer daran, Madeline: Du wirst alleine geboren und musst alleine sterben. In der Zwischenzeit arrangierst du dich. Halte dich an deine Abmachung mit der Stadt, und Emily und deiner Mutter wird es gutgehen.«
Gran griff wieder nach ihrer verstümmelten Schildkröte und sank in die Kissen zurück. Plötzlich hielt Maddie es nicht mehr aus. »Ich muss gehen«, sagte sie und stand auf. »Tut mir leid, aber ich kann nicht länger bleiben. Ich muss zu Em zurück.«
»Setz dich«, befahl ihre Großmutter. »Ich will noch etwas über den Mann hören, mit dem du die Nacht verbracht hast.«
»Das geht nicht.« Seitwärts schob Maddie sich zur Tür. »Ich muss zu Em zurück.«
Ihre Großmutter hörte auf zu kauen. »Du wirst genau wie deine Mutter, stimmt‘s? Versteckst dich in deinem kleinen Haus mit deinem Kind, obwohl draußen ein Mann herumläuft. Was habe ich bloß für einen jämmerlichen Haufen alter Jungfern in die Welt gesetzt?« Sie warf Maddie einen verächtlichen Blick zu. »Ich war nie so ein Hasenfuß wie ihr. Ich habe mir meine Liebhaber genommen und die anderen zur Hölle geschickt. Und jetzt ist es soweit gekommen. Ihr seid jämmerliche Angsthasen.«
Maddie sah sie verständnislos an. »Was für ein Mann? Es gab keinen Mann für meine Mutter, außer Dad.«
»Sie hatte etwas laufen mit diesem Kerl von der Bowlingbahn.« Gran rümpfte die Nase. »Ganz nett, nehme ich an, und besser als nichts, aber nicht für deine Mutter, o nein. Durch ihren untadeligen Lebenswandel habe sie stets versucht, meine Schandtaten in Vergessenheit geraten zu lassen, sagte sie damals, und wollte dir nicht dasselbe zumuten.« Einen Augenblick lang sprach ein großer Schmerz aus Grans Gesicht, bevor es sich wieder zu den üblichen mürrischen Falten verzog. »Sie benahm sich, als hätte ich nicht genug für sie getan, als wäre ich etwas, für das man sich schämen muss.« Unter schweren Lidern richtete sie ihren Blick auf Maddie. »Das einzige, dessen man sich schämen muss, ist die Angst zu leben, und die hat deine Mutter verinnerlicht. Wer von uns hat denn nun gelebt, frage ich dich?«
»Es ist kein schlechtes Leben«, meinte Maddie in Gedanken an die Erfahrungen der letzten Woche. »Es ist ruhig, keiner lügt dich an, und keiner redet über dich.«
Gran schnaubte verächtlich. »O ja, das ist ein Leben. Und keiner hat Sex mit dir und bringt dich zum Lachen und lässt dich spüren, dass du lebst.« Sie streckte ihr Kinn vor und sah Maddie stolz an. »Ich hatte acht Männer in meinem Leben, und ich bereue keinen einzigen davon. Die Stadt hat sich das Maul zerrissen, und ich habe mich einen feuchten Kehricht darum geschert.«
»Du hast Grandpa betrogen?« fragte Maddie entsetzt.
»Mein Gott, er hat mit mir geschlafen, als ich mit Buck verheiratet war«, sagte Gran ohne jede Reue. »Was dachte er denn, was ich tun würde? Meinen Lebenswandel ändern?« Sie lachte auf. »Zumindest war ich voller Leidenschaft, was mehr ist, als meine ehrenwerte Tochter je an den Tag gelegt hat.« Sie starrte Maddie an. »Was dich betrifft, so hatte ich einige Hoffnung, aber du bist genauso ein Waschlappen wie sie. Was für ein Pärchen.«
»Ich kann es nicht glauben«, sagte Maddie, und ihre Großmutter erwiderte: »Scott war sein Name. Sam Scott.«
Sam Scott war an jenem Abend, als sie Brent gesucht hatte, auf dem Parkplatz des Bowlingcenters aufgetaucht. »Ich habe den Wagen deiner Mutter erkannt«, hatte er gesagt.
Hatte er seit dreißig Jahren ein Auge auf ihre Mutter geworfen? War es das, worauf ihre Mutter verzichtet hatte? Würde C.L. das gleiche tun? Es war ein schrecklicher, entsetzlicher Gedanke. Sie musste fort von hier, weg von ihrer Großmutter, die Lügen erzählte. Ihre Mutter hatte gesagt, dass sie log.
Das Gebrummel ihrer Großmutter ignorierend, wandte sich Maddie zum Gehen, hielt dann jedoch inne, als ihr die Strasskette einfiel, die sie mitgebracht hatte. »Möchtest du diese Kette gerne haben?« Bei der Frage nahm sie sie ab und hielt sie ihrer Großmutter hin.
»Warum sollte ich so einen billigen Mist haben wollen?« Ihre Großmutter schob die Pralinenschachtel beiseite und sah sie an. »Wofür
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