Die Gerüchteköchin
sein‹?«
»Manchmal denke ich, ich bin jetzt schon wie sie«, meinte Treva. »Aus diesem Grunde habe ich wahrscheinlich zwanzig Jahre lang mit Luchsaugen über Three gewacht. Ich hatte Angst, eines Tages aufzuwachen und Brent vor mir zu sehen.«
»Das wird nie passieren.«
»Oder dass Howie ihn eines Tages ansehen und sagen wird: ›Mein Gott, er sieht ja wie Brent aus.‹ Denn das ist so, ein bisschen jedenfalls.«
Sie gingen an zwei weiteren Häusern vorüber, bevor Maddie sagte: »Hör zu, ich weiß, dass dir nun eine Last von der Seele genommen ist, aber mit Howie hast du einen wichtigen Punkt angesprochen. Ich finde, er sollte es erfahren. Ich werde es ihm niemals erzählen, aber vielleicht solltest du es tun.«
»Das kann ich nicht.« Treva ergriff Maddie am Ärmel. »Ausgeschlossen. Er wird denken, ich hätte ihn nur geheiratet, weil ich von Brent schwanger war.«
»Howie Basset mag vieles sein, aber mit Sicherheit ist er nicht dumm«, antwortete Maddie. »Er lebt seit zwanzig Jahren mit dir zusammen. Sein ganzes Leben lang hat er dich gekannt. Er hat ein bisschen Vertrauen verdient.«
»Ich kann nicht«, sagte Treva, aber ihre Stimme klang nicht mehr ganz so zittrig.
»Ich selbst bin auch erst heute eine große Verfechterin der Wahrheit geworden«, sagte Maddie. »Ich kann es jedem nur sehr empfehlen. Du glaubst nicht, was für eine Erleichterung das ist.«
Treva holte tief Luft und seufzte bebend auf. »Doch, das kann ich mir vorstellen. Ich fühle mich ja selbst jetzt besser, nachdem alles zwischen uns ausgesprochen ist.«
Maddie nickte. »Dann stell dir vor, wie es dir Howie gegenüber ginge. Versuche es.«
Sie erreichten die Laterne an der Ecke der Linden Street. Während Maddie noch auf Trevas Erwiderung wartete, wurde das Licht eingeschaltet und fiel auf Trevas blonde Locken, so dass sie einen flüchtigen Augenblick dem kleinen Mädchen von einst ähnelte, ein wenig durcheinander und gleichzeitig untrennbarer Teil von Maddies Welt.
Sie hielten nun schon so lange zusammen. Und sie würden noch sehr viel länger zusammenhalten. Dies war der Grund, warum Maddie nie aus Frog Point fortgehen würde - nicht nur wegen Treva oder ihrer Mutter oder Em, sondern wegen all der Erinnerungen und der Tradition und Sicherheit, die einem achtunddreißig Jahre am selben Ort vermitteln. »Die Laternen sind an«, sagte sie zu Treva. »Du weißt, was das heißt.«
Unwillkürlich musste Treva grinsen, ein wenig zaghaft und unter Tränen zwar, aber immerhin ein Grinsen. »In zehn Minuten zu Hause, sonst können wir etwas erleben.«
»Was auch immer geschieht«, sagte Maddie, »zwischen uns ändert sich nichts. Du wirst dich vielleicht verändern und ich mich auch, aber zwischen uns ändert sich nichts.
Okay?«
»Okay«, flüsterte Treva. »Okay.«
»Okay«, wiederholte Maddie. »Lieber Himmel, was für ein Tag.«
Als nächstes stattete sie Helena und Norman einen Besuch ab. Seit Wochen war sie nicht mehr bei ihnen gewesen, das letzte Mal vor der Beerdigung. Mit pochendem Herzen klopfte sie an die Hintertür. Helenas Gesicht war, als sie die Tür öffnete und Maddie dort stehen sah, nicht gerade eine Hilfe.
»Was willst du?« fragte Helena barsch, und Maddie antwortete: »Ich will, dass du aufhörst, Gerüchte über mich zu verbreiten und meine Mutter aufzuregen.«
Durch die geschlossene Fliegentür starrte Helena Maddie an. »Ich habe nur die Wahrheit gesagt.«
»Du hast einen Teil der Wahrheit gesagt«, korrigierte Maddie sie. »Du hast beispielsweise mit keinem Wort erwähnt, dass Brent mich betrog und mich geschlagen hat, und du hast geradewegs gelogen, als du behauptetest, ich hätte ihn umgebracht. Bislang hat auch meine Mutter noch nichts darüber verlauten lassen, aber das wird sie zweifellos tun, wenn du dich in Zukunft nicht zurückhältst - was zur Folge hätte, dass mein Kind mit all dem Gerede über seine angeblich miesen Eltern fertigwerden müsste, nur, weil seine Großmütter, verdammt noch mal, zu stur sind, ihre Klappe zu halten.«
Maddie hatte den Satz nicht auf diese Art beenden wollen, aber nun war es zu spät, und es gab ihr ein gutes Gefühl. Das schien die Sprechweise der neuen Maddie zu sein, der Person, die sie hatte werden wollen, bevor Brents Tod sie aus der Bahn geworfen hatte. Sie hatte Vorsätze gehabt, und an die hätte sie sich halten sollen.
Helena trat heraus und ließ die Fliegengittertür hinter sich zuknallen. Beinahe wäre Maddie ein paar Schritte zurückgewichen,
Weitere Kostenlose Bücher