Die gesandte der Köingin Tess 2
selbst denken konnte. »Und es war ganz anders als in dem ersten Traum. Er war ebenso bewusst dabei wie ich. Nachdem ich ihm gesagt hatte, dass ich gebissen worden war, hat er versucht, die Wunde zu heilen.« Ich spürte, wie ich errötete, und hoffte, es sei zu dunkel, als dass er es sehen würde. »Natürlich haben wir damit jede Chance ruiniert, die Zukunft richtig zu sehen«, versuchte ich die Unterhaltung etwas aufzulockern. »Aber es hat funktioniert. Als ich aufgewacht bin, war ich noch am Leben.« Mein Blick verschwamm in der Ferne.
Jeck hatte mir das Leben gerettet. Warum? Es war trotzdem vorbei, bis auf das, was nun einen Tag nach dem anderen geschehen würde. Ich ließ die Hand von der Schulter sinken und still im Schoß liegen.
Kavenlow beobachtete mich mit großen, besorgt wirkenden Augen. »Die Wunde scheint gut verheilt zu sein. Wie lange liegt der Biss zurück?«
»Ich weiß es nicht mehr«, sagte ich leise, denn es war mir gleich. Dann merkte ich, dass es mir doch wichtig war, und ich überlegte kurz. Der Mond war nun beinahe voll. Vom Grund der Grube aus hatte ich auf einen zunehmenden Viertelmond geblickt. »Vor fünf Tagen?«, sagte ich überrascht. Es schien mir eine Ewigkeit her zu sein.
»Die Narbe sieht aus, als sei sie zwei Wochen alt«, bemerkte er, und ich nickte.
»Wenn der letzte Traum auch nur halbwegs eintrifft, werde ich lange genug leben, um von Jeck noch einmal im Wald gefangen genommen zu werden«, sagte ich und redete mir ein, das sei mir gleichgültig. »Bis dahin dürfte es nicht mehr allzu lange dauern, so, wie die Narbe aussieht. Sie stimmt jetzt beinahe mit der aus meinem Traum überein.« Am Ende wurde meine Stimme hoch und dünn, und ich ballte die Hände zu Fäusten. Meine rechte Hand tat weh, aber ich ballte sie so fest ich konnte und kämpfte gegen die Tränen an.
»Tess …«, sagte Kavenlow besänftigend, legte mir väterlich einen Arm um die Schultern und zog mich an sich. »Weine nicht. Diesen Träumen kann man nicht trauen.«
»Ich weine nicht wegen dieses albernen Traums!«, stieß ich hervor, unterbrochen von Schluckauf. »Ich kann keine Spielerin mehr sein.« Nun begann ich wirklich zu weinen und verabscheute mich dafür.
»Hör mir zu«, sagte er bestimmt. »Wir wissen noch nicht einmal, wie es tatsächlich um deine Immunität steht. Vielleicht ist es gar nicht so schlimm.«
»Es war ein Puntabiss!«, rief ich frustriert. »Ich müsste längst tot sein. Ich habe so viel Gift in mir, dass ich Jeck in einem zornigen Augenblick beinahe getötet hätte. Ich habe es nicht unter Kontrolle, Kavenlow!«, stieß ich nun das Schlimmste von allem hervor. »Es kämpft gegen mich. Es ist zu viel. Und es baut sich nicht ab. Das Gift hat sich in dem heilenden Gewebe festgesetzt. Es tritt in meinen Körper aus, wenn ich wütend werde.«
Ich schluchzte, während Kavenlow mich an sich zog und im Arm hielt wie früher, wenn ich vom Pferd gefallen war. »Ganz ruhig«, flüsterte er. »Es ist nie so schlimm, wie man zunächst glaubt. Wir werden uns vorsichtig vorantasten, bis wir genau wissen, was geschehen ist. Dein Pegel wird absinken.«
»Wird er nicht«, schluchzte ich. »Das Gift bildet sich neu. Jeck hat es aus Versehen in meiner Wunde fixiert, während sie verheilt ist. Und da bildet es sich jetzt immer wieder nach, genau wie in einem Punta. Selbst wenn ich nie wieder das kleinste bisschen Gift zu mir nehme, wird mein Grundpegel niemals absinken. Ich wollte so gern eine Spielerin werden. Ich habe ein Leben in Liebe aufgegeben, um es mir zu ermöglichen, und jetzt …«
Er hielt mich im Arm, während ich weinte, denn er wusste, dass meine Tränen nicht nur Contessa und Duncan galten, und auch nicht nur den Tagen der Entbehrung und Ungewissheit, die ich hatte ertragen müssen, oder der Qual und Angst meines Beinahetodes. Meine Tränen waren ein Abschied von dem, was mir versprochen worden war, worauf ich mein ganzes Leben ausgerichtet hatte.
Kavenlow hatte mich zwar beruhigen wollen, aber ich wusste, dass ich nie eine Spielerin sein würde. Mein Leben an seiner Seite war vorbei. Er würde einen neuen Lehrling annehmen und zu seinem Nachfolger ausbilden. Da gab es nichts zu überlegen. Es war schon so gut wie geschehen.
21
Ich schob das Abendessen auf meinem Teller herum, ohne der gedämpften Unterhaltung zwischen Jeck und Kavenlow zu folgen. Wir saßen in dem kleinen, privaten Speisezimmer zwischen der Küche und dem großen Bankettsaal, und ich gab
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