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Die Geschichte der Anna Waser (German Edition)

Die Geschichte der Anna Waser (German Edition)

Titel: Die Geschichte der Anna Waser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Waser
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Halbheit erbärmlich und haßbar!
    Sie richtete sich straff auf: Nein, das war vorüber, mußte vorüber sein. Mochte ihre Kunst auch bisweilen eine harte Herrin sein und eine karge, die ihr nicht immer gab, was sie erhoffte — zu lang schon war sie in ihrem Dienst, um nun alles abzutun, und zum Neuanfangen war sie zu alt. Denn — das fühlte sie mit sonderbarer Sicherheit— mochte er bergen, was er wollte, jener geheimnisvolle Garten, die Kunst gedieh nicht darin und die Freiheit nicht und auch jene Kraft nicht, die sie bis jetzt in Händen gehabt wie einen festen und verläßlichen Stab.
    Der Mond schwamm schon mit bläulichen Schatten im westlichen Himmel, als Anna endlich den Schlaf fand; er kam ihr aus einem festen, tapferen Entschluß: Es mußte zu Ende gehen, so schnell wie möglich. In den nächsten Tagen wollte sie die Bilder vollenden und dann fliehen, unverzüglich fliehen in die sichere Einsamkeit ihrer stillen Malstube.
    Aber als sie am Morgen vor dem Frühstück den Landvogt traf, der — ein großer Frühaufsteher — schon von einem Forstgang zurückkam, blickte er sie gar seltsam an:
    „Was ist mit Euch,“ rief er bedenklich, „daß Ihr ein weißes Gesicht habt und Schatten unter den Augen? Überarbeitet, gelt?“ Und dann schimpfte er gutmütig: „ Sacrebleu, so ist es, das Frauenzimmer, alleweil zu hitzig bei der Sach! Daß Ihr mir heut kein Pinsel nicht anrührt, hört Ihr!“ Und er schlug mit dem Stock auf den Boden und rollte die blauen Augen, daß Anna lachen mußte. Aber an seinem Verbot ließ er nichts abmarkten, vielmehr mußte sie ihm versprechen, sich am Morgen auszuruhen, um dann nachmittags einmal einen Ritt zu tun. „So ein wenig das Blut durcheinander, das wird Euch bekommen, und da die Buben ohnedies der Tante Ursula die Ehr werden erweisen müssen, weilen sie schon auf den Abend das Feld zu räumen beabsichtigt, sind die beiden ledig und zu einem Begleit sicherlich mit Freuden bereit.“
    Die beiden, Anna atmete auf. Wann Weggler mitging, dann war sie ruhig.
    Gleich nach dem Mittagessen machte sie sich bereit; sie kleidete sich in ihr braunfelsisches Jagdgewand, das die Mutter auf der Landvögtin Wunsch geschickt hatte, und legte damit ein gar schönes und frohes Stück Erinnerung um sich. Leichtfüßig lief sie die steilen Treppen zum Burghof hinunter, wo der Landvögtin Zelter bereitstand. Das klare Denken und der feste Entschluß hatten ihr Herz leichter gemacht, sodaß sie nun Schlatter frei und freundlicher entgegentreten konnte.
    Er aber schien stiller und verschlossener als sonst.
    Der Landvogt war ihr beim Aufsteigen behilflich.
    „ Parbleu, “ rief er fröhlich, „was haben wir für ein schönes Edelfräulein!“ und küßte scherzhaft ihre behandschuhte Rechte. Anna lachte herzlich.
    Es war ihr auf einmal merkwürdig froh zumute. Das alte geliebte Kleid, der scharfe Geruch des Pferdes und der warme, leise schauernde Pferdeleib unter sich, es war wie eine kleine köstliche Berauschung. Und dann ging es los, mit lustig klingenden Hufen unter dem Kronentor durch ins Land hinaus.
    Aber wie sie da den Lägerberg, freundlich hingelagert, mit sanften und einladenden Steigungen vor sich sahen, kam es Anna auf eins an, daß sie dort hinaufreiten möcht’. „Traut Ihr Euch, es ist kein so leicht Stück?“ fragte Schlatter ernst, und da sie ruhig zusagte, trieb er alsobald seinen Braunen waldeinwärts. Herr Weggler aber folgte mit einem betrübten und nachdenklichen Gesicht. Auf angenehmen Pfaden gelangten sie zu der kleinen Wiese unter der Esche. Einen Augenblick hielten sie wie auf Verabredung ihre Pferde an, um nach dem besonnten Städtchen hinüberzublicken.
    Plötzlich wandte sich Schlatter an den Vikar: „Seht, unter dieser Eschen,“ sagte er mit gemacht ruhiger Stimme, „ist mir jüngst ein seltsam Gesicht erschienen; mag sein, daß Ihr aus Eurer Gelehrsame eine explicationem dafür findet.“
    Herr Weggler sperrte die Augen groß auf und spreizte die Nasenflügel, er war ganz Aufmerksamkeit. Mit feinem Lächeln gewahrte es Schlatter, dann fuhr er fort: „Dort im Gras lag ich, wie Ihr an den betrübten Herbstzeitlosen noch ersehen möget, so meines Leibes Last erdrückt, als mir auf eins ein Wesen erschien, war über die Maßen hold und einem Engel nicht unähnlich und hielt etwas in feinen Händen mir entgegen, das ich nicht erkennen konnt’. Da ich aber mit fragenden Augen darnach sahe: ‚Das ist die Güte,‘ sagte es lächelnd, ‚so du lange gesucht,

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