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Die Geschichte der Anna Waser (German Edition)

Die Geschichte der Anna Waser (German Edition)

Titel: Die Geschichte der Anna Waser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Waser
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ihm von des brandenburgischen Kurfürsten allmächtigem Minister Dankelmann die Stelle des ersten Hofmalers und Direktors an der kurfürstlichen Kunstakademie zu Berlin in Aussicht gestellt worden. Das Angebot war verlockend und warf Herrn Werner in einen heißen Widerstreit der Gefühle, verdarb ihm jegliche Freude an der Gegenwart und Heimat, ohne ihn doch zu einem frohen und zuversichtlichen Entschluß kommen zu lassen. Zu zäh hing sein Herz an der vielgeschmähten und über alles geliebten Vaterstadt, zu lieb war ihm das freie, selbstherrliche Leben, das er hier, unabhängig von den Launen eines Gebietenden, führte. So gingen die Erwägungen hin und her, und die Korrespondenzen mit Andreas Morell und Berlin erlahmten nie, brachten viel Aufregung mit sich und zerschnitten jedes gedeihliche Werk, und da auch Christoph in Mitleidenschaft gezogen wurde, waren Anna und Lukas Stark die einzigen, die noch mit unveränderter Kraft den alten Arbeitsgeist der Wernerschen Schule aufrecht erhielten. Oft waren sie ganze Tage allein an der Arbeit, und der Eifer des einen ging auf das andere über und machte aus ihrer Arbeit einen Wettbewerb, der indes mit der Zeit immer weniger einem Kampf glich als einem frohen Zusammenwirken.
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    1 hohe, über ein Drahtgestell aus Spitzen aufgebaute Haube. Anm. d. Bearb.
    2 Nachen; kleines Schiff. Anm. d. Bearb.
    3 Vorsteher; bis ins 19. Jahrhundert das höchste Amt in den reformierten Kirchen in der Schweiz. Anm. d. Bearb.
    4 lat.: süßes, giftiges Tier. Anm. d. Bearb.
    5 it.: halblaut, gedämpft. Anm. d. Bearb.
    6 Stabelle: Stuhl mit geschnitzter Rückenlehne. Anm. d. Bearb.
    7 Blust: Blüte, das Blühen. Anm. d. Bearb.
    8 frz.: jedem nach seinem Geschmack. Anm. d. Bearb.
    9 sinnfreier Ausruf, der anstelle gotteslästerlicher Flüche verwendet wird. Anm. d. Bearb.
    10 die außergewöhnlich schöne römische Patrizierin ließ ihren gewalttätigen Vater ermorden und wurde dafür 1599 hingerichtet; es existiert ein angebliches Porträt, das Guido Reni gemalt haben soll, der allerdings erst nach ihrem Tod nach Rom kam. Anm. d. Bearb.
    11 Besitz für alle Zeit.

3. Die grüne Grotte
    Eines Morgens legte Anna mit einem Seufzer den Pinsel aus der Hand: „Lukas, Lux, könnt Ihr mir raten; ich weiß mir nimmer zu helfen!“ Sie lehnte sich im Stuhl zurück und schaute betrübt auf ihr begonnenes Werk. Es war der Entwurf für ihre erste größere Komposition nach einem Thema, das Herr Werner ihr gestellt hatte: Numa Pompilius 1 in der Grotte der Nymphe Egeria. Bereits standen die beiden Gestalten auf dem Papier, klar und sauber, in feinen Umrißlinien, Numa recht in der Art und Kleidung der römischen Könige, wie Anna sie von Herrn Morells Münzen her kannte, die Nymphe in langem Haar und leichten Gewändern in der Manier des Guido, einer Wernerschen Diana ähnlich. Aber die Grotte, ach, das wollte nicht herauskommen.
    Lux erhob sich von seinem Radiertisch und stellte sich vor das Bildchen. „So jedenfalls sieht eine Grotte nicht aus,“ sagte er bedenklich; „die Steine sind aus Pappe.“
    „Nicht wahr!“ Anna seufzte noch einmal und legte die Hände entmutigt in den Schoß. „Aber was kann ich tun? Ich weiß überhaupt nicht, wie eine Grotte aussieht.“
    „Halt eine anschauen, eine gemalte oder eine rechte.“
    „Unter des Meisters Blättern hab’ ich nichts gefunden.“
    „Und wenn ich Euch eine zeigte, eine richtige?“ Ein spitzbübisches Lächeln ging durch sein Gesicht.
    Anna sah ihn ungläubig an: „Ihr? Eine richtige Grotte? Und wo in aller Welt?“
    „Ein wenig weit schon, über den Gurten müßten wir.“
    „Und Ihr wolltet mitkommen, von der Arbeit weg?“
    „Ich sollt’ schon lang eine Ahornetüde machen. Ahorn gibt’s dorten auch, da komm ich schon auf meine Rechnung.“
    Eine halbe Stunde später machten sie sich auf den Weg.
    „Das ist recht, daß Ihr mal an die Luft geht!“ hatte Herr Werner ausgerufen, als die beiden mit dem ungewöhnlichen Plan herausrückten. „Ihr, Anna, habt ungefähr zu glänzige Augen, Ihr macht sie Euch noch krank, und der Sommer ist bald vorbei, und habt vor lauter Eifer ihn nicht gesehen.“ Er bedauerte, daß er nicht selbst mitkommen könne, da wieder so ein Sakersbrief aus Berlin eingetroffen, der baldige und reichlich erwogene Antwort erheische.
    Mit leichtem Malgerät und einer kleinen Provision Mittagsbrot, das alles Lux sich auf den Rücken schnallte, zogen sie aus.
    Jenseits der Aare führte sie ein schmaler Pfad zwischen

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