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Die Geschichte der Anna Waser (German Edition)

Die Geschichte der Anna Waser (German Edition)

Titel: Die Geschichte der Anna Waser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Waser
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und der ist wohl häßlich und grimmig und kommt als ein Zerstörer zur schlimmen Stunde. Der andere aber, der gute Tod, der ist mild und schön, und der Herrgott schickt ihn uns, und immer kommt er zur rechten Stund’, nicht anders als der Herbst an die reife Frucht.“
    „So, so meinst du das.“ Der Onkel blickte starr vor sich hin: „Und wann eins gehen muß, ein Junges, mitten aus dem schön aufblühenden Leben heraus, das Kind aus der Wiegen, die Braut am Hochzeitsmorgen und der Mann von der Arbeit weg, grad wäre sie fertig geworden? Ist das kein gewaltsamer, ist das auch ein guter Tod?“
    „Wohl,“ erwiderte Anna ernst, „wenn wir’s auch nicht recht begreifen können. Das Kindlein, weiß man, wie das Leben es zugericht’ hätt’ und ob seine Seele nicht zu fein gewesen dafür? Und die Braut? Der Hochzeitsmorgen, da war sie wohl just angelangt oben auf dem Gipfel, und nachher wär’ ein Abstieg gekommen, vielleicht ein Abgrund gar. Der Mann aber, wenn er sein Werk hätt’ fertig bringen können, wer weiß, da hätt’ er gesehen, daß er auf Irrwegen gegangen, all die Zeiten, und da kam der gute Tod und ließ ihm die liebe Arbeit und sparte ihm das schlimme End.“ Der Onkel schwieg und wiegte nachdenklich den Kopf, während Anna immer lebhafter, mit immer heißeren Augen weitererzählte. So wollte sie ihn malen, den Tod, als einen schönen und edeln Jüngling mit einem Kranz von Feuerblumen um die weiße Stirn, wie er lieblich als ein Vollender an jedes herantritt, sodaß die Jungfrau ihren Geliebten, die Mutter ihren Sohn, der Greis den glücklichen Enkel und das Kindlein einen schönen großen Gespielen in ihm erkennen würde und freudig mit ihm ziehen, wie dem langersehnten Ziele zu. Und plötzlich sprang sie auf, und nachdem sie die Türe geschlossen, damit keins unverhofft eintreten könne, holte sie aus der hintersten Ecke des tiefen Schrankes eine wohlverwahrte Mappe heraus und entnahm ihr mit bebenden Fingern eine Reihe lebendig hingeworfener Rötelzeichnungen, die sie vor dem Onkel ausbreitete.
    Überrascht betrachtete er die stattlichen Blätter.
    „Und das hast du gemacht, Anna? Kenn’ ich doch mein zartes Maljüngferchen nimmer wieder in dieser kräftigen und kühnen Hand!“ Und er versuchte mit dem Finger die geschwungenen leichten Linien nachzumachen.
    Anna lächelte. „Ja, wißt, die Miniatur, das war wohl nicht von Anfang an meine Ambition. Der Vater hat mich hineingebracht, und Herr Werner und Herr Morell haben ihn unterstützt, und da ich sie nun kann, freu’ ich mich auch dieser feinen und ziervollen Kunst. Aber auf das ander mag ich nimmer verzichten. Nicht daß ich große Gemälde schaffen wollt’, nein; aber nur nicht immer mit dem nadelfeinen Pinsel und den zarten, zarten Färblein. Ah, den Rötel führen, wie das wohltut, mit der freien lustigen Hand übers Papier fahren anstatt unter der Lupen zu tüpfeln und stricheln wie mit einer Nadel. Einen breiten Pinsel möcht’ ich einmal führen mit freien Augen und freien Händen und mit freien Gedanken.“
    Annas vordem so blasse Wangen färbten sich, und die Augen glänzten, während sie nun daran ging, dem Onkel Blatt um Blatt zu erklären. Und voll Staunen sah dieser hinein in des Mädchens tiefe Gedanken und farbenreiche Vorstellungen.
    „Nun fang’ ich an zu glauben, daß weder Stachel bist noch Ruder,“ rief er bewundernd aus, „wohl aber eines der schönen güldinen Wasersternlein! Warum nur, zum Saker Hagel, führst sie nicht aus, deine meisterlosen fürtrefflichen Plän?“
    Da wurde Anna plötzlich wieder traurig und packte kleinlaut die Blätter zusammen. „Zur Ausführung, da fehlt mir wohl manches noch,“ sagte sie leise, und langsam schwand die Farbe wieder aus den zarten Wangen. „Ja, wenn ich nach Italien hätt’ gehen können mit der Marquise, an die vielen kunstreichen Orte; aber so: keinen Lehrmeister hab’ ich nimmer und keine Zeit nicht. Ach, das Geldverdienen und die Arbeit, die viele, viele betrübte und wertlose Arbeit die man hierzuland als Kunst ansieht!“
    Der Fähndrich setzte sich wieder auf seinen Sitz zurück und sah nachdenksam vor sich hin. „Ja, das drückt, das tut weh, wenn man mit Planen herumgeht und kann sie nicht ausführen, schier die Seel abdrücken könnt’s einem; davon weiß auch dein alter Oncle etwas zu sagen, Meiti — Aber jetzo nichts davon … Also, nach Italien möchtest, an kunstreiche äußere Orte, einen Lehrmeister möchtest annoch haben? Das wird sich

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