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Die Geschichte eines Sommers

Die Geschichte eines Sommers

Titel: Die Geschichte eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wingfield Jenny
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hüfthohen Sommerkürbissen, und violette Erbsenschoten umarmten die kräftigen Stängel des Zuckermaises. Es war ein wahrhaft herrlicher Anblick.
    An einem wackeligen alten Tisch zwischen Garten und Geräteschuppen säuberte Toy Barsche. Bei jedem Knallen von Autotüren blickte er auf, konzentrierte sich dann aber wieder auf seine Arbeit. Er wusste, dass Bernice mit den anderen zur Kirche gefahren war. Nicht etwa, weil er sie hatte fortfahren sehen, und auch nicht, weil er in ihr gemeinsames Zimmer gegangen war und festgestellt hatte, dass sie nicht da war. Er wusste es einfach, so wie er häufig Dinge einfach wusste, besonders wenn sie seine Frau betrafen.
    Toy wünschte sich von ganzem Herzen, sich weniger Gedanken über Bernice zu machen, was sie tat oder ob sie ihn überhaupt mochte. Er wünschte, er könnte in dieser Hinsicht abstumpfen, sodass sie ihm nicht mehr wehtun könnte und er sich nicht mehr nach ihr sehnen würde – dass ihm einfach alles egal wäre. Er wünschte, dass sie nicht mehr in Sam Lake verliebt wäre oder es zumindest nicht so offenkundig zur Schau stellen würde. Das war für ihn tagtäglich das Allerschlimmste: so zu tun, als würde er nichts merken. Und er schaffte das auch nur, indem er alle Arbeiten erledigte, die gerade anfielen, von dem Moment an, wo er aufstand, bis es Zeit wurde, wieder ins Bett zu gehen. Tag für Tag für Tag.
    Im Augenblick bestand seine Arbeit darin, Fische zu säubern. Er nahm sie aus und schuppte sie, einen nach dem anderen. In Toys Bewegungen lag ein Rhythmus, der bei jedem, der ihn beobachtete, den Eindruck erweckt hätte, dass er ein Mann war, der mit sich und der Welt im Reinen war.
    Aus der Küche konnte er die Vorbereitungen für das Mittagessen hören. Das Klappern von Töpfen und Pfannen, das leise Gemurmel von Frauenstimmen. Wahrscheinlich Bernice und Willadee. Er lauschte nicht auf das, was sie sagten. Zum einen war das nicht seine Art, zum anderen sagten sie vermutlich nicht viel, dem zu lauschen sich lohnte.
    Kurze Zeit später kam Samuel nach draußen und gesellte sich zu ihm. Er hatte sich umgezogen, trug jetzt eine Khakihose und ein Alltagshemd und hielt ein Küchenmesser in der Hand.
    »Kann ich dir helfen?«, fragte er.
    »Wir müssen doch nicht unbedingt beide nach Fisch stinken«, sagte Toy. »Außerdem bin ich fast fertig.«
    Samuel hatte auch nicht erwartet, dass Toy Hilfe wollte oder annehmen würde. Er hatte das Messer nur mitgebracht, um zu zeigen, dass er bereit war, seinen Beitrag zu leisten. Da er sich nutzlos fühlte und nicht wusste, was er sonst mit sich anfangen sollte, lehnte er sich gegen einen Baum und warf das Messer von einer Hand in die andere.
    »Wie war’s in der Kirche?«, fragte Toy, um Konversation zu machen.
    »Erhebend«, sagte Sam.
    »Das ist gut«, sagte Toy.
    Er fuhr fort, die Fische zu säubern, und Samuel warf das Messer noch immer hin und her. Nach einer Weile sagte Samuel: »Bernice hat heute Morgen ihr Leben dem Herrn geweiht.«
    Toys Rhythmus wurde nur für eine Winzigkeit unterbrochen, kaum wahrnehmbar. Er putzte den Fisch fertig, an dem er gerade arbeitete, warf ihn zu den bereits gesäuberten in die Spülschüssel und zog einen weiteren aus der Waschwanne, in der die letzten lebenden noch herumzappelten.
    »Das heißt dann wohl, dass sie von nun an ziemlich häufig in die Kirche gehen wird«, sagte er.
    »Vielleicht könntest du sie ja begleiten?«, schlug Samuel vor. Er hoffte tatsächlich, dass Toy das tun würde, obwohl er keine Minute wirklich daran glaubte. Abgesehen davon, dass es natürlich gut für Toys Seelenheil wäre, wenn er zur Kirche ginge, würde seine Frau dann mit ihm dorthin fahren statt mit Samuel und seiner Familie. Willadee war zwar eine äußerst gutmütige Frau, doch auch sie hatte ihre Grenzen, und Samuel hatte das sichere Gefühl, dass diese schon recht bald erreicht sein könnten.
    Toy schüttelte den Kopf.
    »Ich will doch nicht, dass das Dach einstürzt.«
    Samuel grinste, warf das Messer in die Luft und fing es mit derselben Hand wieder auf.
    »Ich glaube nicht, dass das Dach einstürzen würde«, sagte er.
    »Man sollte es nicht darauf ankommen lassen«, antwortete Toy.
    Bis die Frauen das Mittagessen fertig hatten, hatte Toy die Fische in leere Milchkartons gepackt, die Kartons mit Wasser gefüllt und Samuel gebeten, sie in die Tiefkühltruhe zu legen. Dann hatte er sämtliche Innereien und sonstige Reste in Zeitungspapier gewickelt und die ganze Sauerei an einer

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