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Die Geschichte eines Sommers

Die Geschichte eines Sommers

Titel: Die Geschichte eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wingfield Jenny
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den Rücken klettern und sich auf euren blutigen Striemen breitmachen würde?«
    Bienville wies darauf hin, dass sie unmöglich in der gleichen Verfassung sein könnten wie John, da sie jeder zwei Beine hätten und er vier, aber Calla leuchtete diese Logik nicht ein.
    »Seid lieber froh, dass das nicht der einzige Unterschied ist«, sagte sie. »Das Pferd hat immerhin eine ordentliche Tracht Prügel abbekommen.«
    Anders als sonst fügte sie nicht hinzu, dass sie alle ebenfalls eine Tracht Prügel kriegen würden, wenn sie nicht aufräumten und sich ordentlich benähmen. Denn aufgeräumt hatten sie ja bereits, und sie benahmen sich so ordentlich, dass es ordentlicher gar nicht mehr ging. Außerdem war Calla an diesem Tag nicht nach Drohungen zumute. Etwas am Anblick dieses Tieres, an den Verletzungen, die ihm jemand zugefügt hatte, traf sie bis in die Seele. Diesem John gelang etwas, das dem anderen John, schon lange bevor er es sich in den Kopf gesetzt hatte, sich zu erschießen, nicht mehr gelungen war. Er löste in Calla Moses zärtliche Gefühle aus.
    Noble bekniete Oma Calla so lange, bis sie ihnen erlaubte, mit John in die Badlands zu gehen. Da sie Banditen durch schwieriges Gelände verfolgen mussten, würden sie ohnehin zu Fuß gehen. Wenn das Gelände schwierig ist, muss man sich ab und zu hinhocken, die Augen fest zusammenkneifen und den Boden genau untersuchen, um festzustellen, ob der Fels zerkratzt ist oder ein Stiefelabsatz einen Abdruck im Staub hinterlassen hat. Vielleicht entdeckte man auch ein klebriges Stück Speichel, ein sicheres Zeichen für Outlaws, denn viele Outlaws haben einen rasselnden Husten. Auf jeden Fall könnte man nicht gut Spuren verfolgen, müsste man ständig vom Pferd absteigen. Das würde einen viel zu viel Energie kosten und das Vorankommen unnötig verlangsamen.
    Calla hatte keine Bedenken, die Kinder mit dem Pferd auf Abenteuersuche gehen zu lassen, sofern sie das Pferd nur führten, doch wehe, sie würde später erfahren, dass sie sich auf seinen Rücken gesetzt hatten.
    Die Kinder versprachen, John nur führen zu wollen. Etwas anderes würden sie auf keinen Fall tun, das schworen sie sogar.
    »Und wir würden doch niemals unser Wort gegenüber einer so süßen kleinen alten Oma wie dir brechen«, gelobte Swan inbrünstig.
    Calla war noch nie so oft an einem Tag »alt« genannt worden wie an diesem, und sie war schon so lange nicht mehr »klein«, dass sie sich an die Zeit gar nicht mehr erinnern konnte, trotzdem ließ sie Swans Bemerkung durchgehen. Je schneller die Kinder in den Badlands waren und nach Outlaws und klebrigem Speichel Ausschau hielten, desto schneller konnte sie sich hinsetzen und die Ruhe genießen.
    Für Ras Ballenger war es keine Frage, warum und durch wen der Kaffeebecher ihn zwischen seine Schulterblätter getroffen hatte. Er raste durch das Haus und stürmte in das Zimmer der Jungen.
    Blue saß plärrend im Bett, doch ausnahmsweise beachtete ihn Ras nicht. Stattdessen ging er zum offenen Fenster und ließ seinen Blick über den Hof schweifen. Von Blade war nichts zu sehen. Erst als Ras sich gegen das Fensterbrett lehnte, um zu überlegen, was er als Nächstes tun sollte, bemerkte er die rostroten getrockneten Blutflecken auf dem Holz. Er befeuchtete einen Finger und rieb über einen der Spritzer. Die Farbe blieb an seiner Haut kleben.
    »Ich hätte den Jungen gleich nach der Geburt den Hunden zum Fraß vorwerfen sollen«, sagte Ras.
    Ras wunderte sich, wieso Blade verletzt gewesen war, als er nach seiner Schandtat letzte Nacht zurück ins Haus geklettert war. Vielleicht war er mit dem Pferd zur Straße geritten, um es dort frei laufen zu lassen, war dabei heruntergefallen und hatte sich auf dem Schotter die Haut an Armen und Beinen aufgeschrammt. Oder vielleicht war er einfach nur im Dunkeln mit irgendwas zusammengeprallt.
    Ras konnte sich kaum vorstellen, dass Blade es geschafft haben sollte, Snowman irgendwohin zu bringen, aber zwei Dinge standen für ihn fest: Blade Ballenger hatte Snowman freigelassen, und das würde ihm noch sehr, sehr leidtun. Doch dafür war später noch Zeit. Im Augenblick war es viel wichtiger, Odell Pritchetts Pferd wiederzufinden.
    Ras setzte sich in seinen Truck und bretterte los. Er brauchte nicht lange zu suchen. Als Erstes hielt er bei Calvin Furlough, weil Calvin immer alles wusste. Er traf Calvin in seiner Werkstatt an, wo er gerade die Motorhaube eines Nash Rambler mit einem Gummihammer ausbeulte, und wie erwartet

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