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Die Geschichte von Zoe und Will

Die Geschichte von Zoe und Will

Titel: Die Geschichte von Zoe und Will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Halbrook
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aber auch rein gar nichts. Meile um Meile Weideland und Ackerland und weiß-der-Himmel-was-für-ein Land. Zu dieser Jahreszeit werden die Felder jedoch nicht für sonderlich viel benutzt. Sie ruhen einfach, warten, erholen sich. Braune Erde, so weit das Auge reicht.
    Wir drosseln das Tempo, wenn wir durch Orte kommen. Wenn wir genug vom Radio haben, aber doch mehr Geräusche brauchen, als das immerwährende Rauschen von Reifen auf Asphalt, streiche ich mit dem Finger über den Rand meines Windspiels. Manchmal lässt mich das klirrende Geräusch dann sogar glauben, dass sie hier ist, mit mir gemeinsam flieht.
    Neugierig betrachten wir die Kleinstädte, die wir passieren, als wollten wir herausfinden, ob das die Art Ort ist, an dem wir uns vorstellen könnten, eines Tages zu wohnen. Aber es sind allesamt kleine Käffer, und die haben wir gründlich satt. Wir könnten niemals zurück an einen Ort, wo jeder seine Nase in alles steckt. In einfach alles – außer wenn es sich um etwas wirklich Wichtiges handelt. Dann hat jeder das Recht, die Augen davor zu verschließen.
    In der ersten Klasse hat Mrs. Hillard zwei Tage die Woche in der Schulbücherei gearbeitet. Sie hat Dinge gesehen, viele Fragen gestellt, bis zu dem Tag, als mein Dad in seinem T-Shirt mit der amerikanischen Flagge und seinem »Ich bin ein Veteran«-Gesicht ins Büro des Schuldirektors gestürzt ist und den Direktor angeschrien hat, sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Von da an waren Mrs. Hillards Lippen versiegelt, aber sie hat nie aufgehört, mich zu beobachten, ein immerwährender Schatten, der über mir hing, während ich in den Bücherregalen stöberte oder mich mit Betty und ihre Schwestern in eine Ecke zurückzog.
    Am Ende des Schuljahrs ist sie in Rente gegangen und hat freiwillig in der öffentlichen Bibliothek ausgeholfen. Jedes Mal, wenn ich dort war, hat sie mich gefragt, wie es zu Hause lief, hat sich ein paar Minuten zu mir gesetzt und mir von meiner Mom erzählt, davon, dass meine Mom Schülerin gewesen war, als Mrs. Hillard in der Schulbibliothek angefangen hatte. Sie meinte, ich wäre meiner Mom wie aus dem Gesicht geschnitten. Dieselben Augen, dasselbe Verhalten. Ich wäre ein Abbild von ihr, sagte sie immer. Bei ihr hat es so geklungen, als wäre das etwas Gutes.
    »Woran kannst du dich erinnern, wenn du an Nevada denkst?«, frage ich Will. Er legt den Arm um die Lehne meines Sitzes und zuckt mit den Schultern.
    »Nicht viel. Es fällt mir schwer, mich an irgendwas von den Orten, an denen ich gelebt habe, zu erinnern. Keine Ahnung. Büsche? Und die Berge. Es war im Norden Nevadas, also nicht in der Wüste oder irgendwo dort in der Nähe. Im Winter hatten wir Schnee.«
    »Ich glaube, ich wäre nicht traurig, wenn ich nie wieder Schnee zu Gesicht bekäme.« In North Dakota ist der Winter lang. Es ist nicht so schlimm, wenn man rausdarf, um Schlittschuh zu laufen oder Hockey zu spielen. Aber es sind schreckliche sechs Monate im Jahr, wenn man die ganze Zeit über zu Hause festsitzt.
    »Ja. Vegas hat wohl nie Schnee.«
    »Wahrscheinlich nicht.«
    Ich küsse die Innenseite seines Ellbogens. Und erröte. Es ist sonderbar, wie einige große Momente voller Küsse und Berührungen und allem Drum und Dran mich nicht in Verlegenheit bringen, die kleinen es hingegen schaffen.
    Ich habe Will gefragt, an welchen Orten er schon einmal gewohnt hat. Er listet sie auf, einen nach dem anderen, als würde er die Geschichte eines Fremden nacherzählen. Nevada, dann irgendwo in Kalifornien. Einmal hat seine Großmutter, die Mom seiner Mom, ihn aufgespürt und ihn bei sich in Colorado wohnen lassen. Das war eine seiner schlimmsten Erfahrungen. Am liebsten hat sie ihre Zigaretten an allem ausgedrückt, was sich bewegte. Der Katze, dem Fernseher, Will. Als sie starb, hat ein Onkel Will nach Nebraska geholt und versucht, einen Mann aus ihm zu machen, indem er ihn nachts ausgesperrt hat, einfach nur so.
    Weil man ein Mann ist, wenn man im Alter von zehn einen Kojoten abwehren kann.
    Die Frau seines Onkels, laut Will eine anständige Frau, nahm ihn mit sich, als sie aus North Dakota geflohen ist. Sie haben ein paar Monate in einer Zweizimmerwohnung gelebt. Die meiste Zeit über war Will allein, da seine Tante Tag und Nacht gearbeitet hat, aber nach allem anderen war es eine Wohltat, endlich einmal für sich zu sein.
    Dann lernte sie einen Kerl kennen, der keine Kinder mochte, und Will wurde den Behörden übergeben.
    Einmal habe ich Will gesagt,

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