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Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2]

Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2]

Titel: Die Geschwister Oppermann - Wartesaal-Trilogie: [2] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feucht Wanger
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Häuser? Wir.«
    Dann kam man zum Thema. Martin sagte ein paar allgemeine Worte. Die Völkischen nutzten den Antisemitismus als Propagandamittel. Möglich, ja wahrscheinlich, daß sie jetzt, an der Macht, das Mittel als überflüssig und wirtschaftlichschädlich fallenlassen werden. Trotzdem werde man wohl gut tun, sich vorzusehen. Er bitte Herrn Brieger um seine Meinung.
    Der kleine, großnasige, betont jüdisch aussehende Herr Brieger sprach schnodderig wie stets. Jetzt blieb wohl nichts anderes übrig, als die gesamten Oppermannschen Geschäfte den Deutschen Möbelwerken anzugliedern. Außerdem wäre es gut, wenn man endlich mit Herrn Wels zu einer Vereinbarung käme. Er hat bei Herrn Wels vorgefühlt; seltsamerweise kommt ja er mit dem Gewittergoi am besten aus. Wenn die Geschichte wirklich Sinn haben und den Sturm überdauern soll, der höchstwahrscheinlich kommen wird – er sieht da etwas schwärzer als Herr Martin Oppermann –, dann muß das Unternehmen noch vor den Wahlen zu mindestens einundfünfzig Prozent in nichtjüdische Hände überführt sein. Das muß unwiderleglich nachgewiesen werden können, trotzdem es faktisch natürlich anders sein soll. Technisch läßt sich das machen. Aber die notwendigen Transaktionen sind delikat, umständlich und erfordern von beiden Partnern Verständnis, Entschlußkraft, guten Willen. Drei Eigenschaften, in denen wir stark sind, aber nicht Herr Wels. Das war es, was Herr Brieger auseinandersetzte, quick, unter vielen scharfen, witzigen Redensarten, mit betonter Leichtigkeit, die aber nicht recht glückte.
    Martin, nachdem Herr Brieger zu Ende war, meinte: »Man muß beides machen, die Umwandlung in die Möbelwerke und die Verhandlungen mit Wels. Ich denke, Herr Brieger wird da sicher zum Ziel kommen.« Dieses indirekte Eingeständnis, daß er, Martin, damals bei der Unterredung mit Wels einiges verdorben habe, fiel ihm schwer, aber es schien ihm unanständig, sich davor zu drücken.
    Der repräsentative Herr Hintze saß steif, ablehnend, den Kopf sehr gerade. »Ich denke«, sagte er, »wenn Professor Mühlheim sich hineinkniet, dann können wir die Deutschen Möbelwerke binnen einer Woche unter Dach haben. Soweit ist es, Gott sei Dank, noch nicht, daß die Oppermanns einemHerrn Wels nachlaufen müßten. Stellen wir mal die Deutschen Möbelwerke hin, meine Herren, und dann warten wir ruhig ab und lassen den Bruder auf uns zukommen.«
    »Schön und gut«, sagte Jacques Lavendel und schaute Herrn Hintze freundlich an. »Aber wenn er nun nicht zukommt? Wenn er hört, was der Führer jeden Tag im Radio von sich gibt? Wenn er’s glaubt? Er ist nebbich nicht sehr stark im Kopf. Setzen Sie nicht zuviel Verstand voraus bei den andern, meine Herren. Sie sehen, das war bis jetzt immer eine falsche Spekulation. Verhandeln Sie mit dem Goi. Noch heute. Seien Sie nicht kleinlich. Du sollst dem Ochsen, der drischt, nicht das Maul verbinden. Geben Sie ihm einen großen Bissen zu schlucken. Es ist besser als das Ganze.«
    Gustav saß da mit der Miene eines Mannes, der aus Höflichkeit zuhört, den aber im Grunde die Diskussion langweilt. Er starrte auf das Schriftstück, das gerahmt an der Wand hing. Er kannte den Text auswendig. »Der Kaufmann Immanuel Oppermann aus Berlin hat der deutschen Armee durch seine Lieferungen gute Dienste geleistet. Der Generalfeldmarschall: gez. v. Moltke.« Er ließ die Schultern fallen, um ein kleines, senkte die schweren Augenlider über die trüben, braunen Augen, die Veränderung war kaum merklich. Dennoch sah er auf einmal nicht mehr jung aus, sondern seinem Bruder Martin ähnlich.
    Man hatte, als Brieger zu Ende war, gewartet, daß er als erster spreche, und erst als sich zeigte, daß er offenbar zu schweigen gewillt war, hatte Martin gesprochen. Jetzt, da er immer noch schwieg, forderte Martin ihn auf: »Was meinst du, Gustav?«
    »Ich bin nicht deiner Meinung, Martin«, sagte er, und seine sonst freundlich brummige Stimme klang gereizt und entschieden. »Auch nicht Ihrer Meinung, Herr Brieger, nicht einmal der Ihren, Herr Hintze, und schon gar nicht der Ihren, Jacques. Ich verstehe nicht, warum Sie alle auf einmal Eisgang in den Hosen haben. Was ist denn geschehen? Man hat einem populären Dummkopf ein repräsentatives Amt gegeben undhat ihn durch ernsthafte Kollegen lahmgelegt. Glauben Sie wirklich, weil ein paar tausend bewaffnete Lausejungen in den Straßen herumlümmeln, sei Deutschland am Ende?« Er saß aufrecht da, er sah sehr groß aus im

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