Die Gesellschaft des Abendsterns
für den Fall, dass Vanessa beschloss, ihr einen Besuch abzustatten. Kendra hatte alle Tränke aus Tanus Beutel auf dem Tisch ausgebreitet. Sie wusste, welche Phiolen die abgefüllten Gefühle enthielten, war sich aber nicht sicher, welches Gefühl welches war. Bei dem Rest der Tränke konnte es sich um so ziemlich alles handeln. Sie hatte daran gedacht, einen zu kosten, sich dann aber Sorgen gemacht, dass es sich bei manchen um Gifte oder auf andere Weise schädliche Gebräue handeln könnte, die für Feinde bestimmt waren. Kendra kam zu dem Schluss, dass
sie die Tränke erst dann testen würde, wenn ihr nichts anderes mehr übrig blieb.
Sie musste einen Weg finden, ihre Großeltern zu befreien. In der Hütte befanden sich Werkzeuge und jede Menge Gegenstände, die sie als Waffen benutzen konnte, aber solange Vanessa Tanu kontrollierte, konnte Kendra sich kaum vorstellen, dass sie Erfolg haben würde. Mendigo könnte ihr helfen, aber es hätte sie überrascht, wenn die Marionette imstande wäre, den Hof zu betreten, da sie auch die Hütte nicht betreten konnte. Sie war sich ziemlich sicher, dass Opa allen nichtsterblichen Besuchern eine ausdrückliche Genehmigung erteilen musste. Die Feen durften nur deshalb in den Garten, weil er es gestattete.
Mendigo klopfte ans Fenster. Sie hatte ihm aufgetragen, sie zu warnen, sobald sich irgendjemand näherte. Was sollte sie tun? »Mendigo, beschütze Warren und mich, aber bleib außer Sicht, bis ich dir etwas anderes befehle.«
Mendigo versteckte sich hinter einem Busch in der Nähe der Veranda, während Kendra ans Fenster ging. Langsam hob sie den Kopf und spähte hinaus. Sie konnte nicht fassen, was sie sah: Seth kam gerade zwischen den Bäumen hervor und ging den Pfad zur Hütte hinauf.
Zunächst war Kendra wie geschockt. Als sie sich wieder erholt hatte, rannte sie zur Tür und riss sie weit auf, während ihr Tränen des Glücks und der Erleichterung in die Augen schossen. »Seth!«, rief sie.
»Kendra?«, fragte Seth und blieb wie angewurzelt stehen.
»Du bist nicht tot!«
»Klar bin ich das. Ich bin ein Geist. Aber ich bin mit einer Nachricht zurückgeschickt worden.«
Kendra konnte nicht aufhören zu lächeln. »Ich dachte, ich würde dich nie wieder etwas Idiotisches sagen hören!«
»Wer ist sonst noch bei dir?«
»Nur Mendigo und Warren. Schnell, komm rein.«
»Haha«, sagte Seth und ging weiter gemächlich auf die Hütte zu.
»Ich meine es ernst«, drängte Kendra. »Komm rein. Es sind schlimme Dinge passiert.«
»Und ich meine es auch ernst«, erwiderte er. »Muriel hat mich aus dem Reich der Toten zurückgeholt und mich als singendes Telegramm hierhergeschickt.«
Kendra stemmte die Hände in die Hüften. »Mendigo, zeig dich.«
Die Stockpuppe sprang hinter dem Busch hervor. »Ich fass es nicht!«, keuchte Seth und wich zurück. »Was macht der denn hier? Und warum nimmt er Befehle von dir entgegen?«
»Komm rein, und ich erklär’s dir!«, sagte Kendra. »Ich war noch nie so glücklich, jemanden wiederzusehen. Uns stehen große Probleme bevor.«
KAPITEL 15
Satyrische Unterstützung
S eth saß Kendra gegenüber am Tisch. Er war vollkommen geschockt. Nachdem er Kendra von dem Kokon und seiner Reise durch Ollock erzählt hatte, hatte sie ihm berichtet, wie Vanessa während seiner Abwesenheit enttarnt worden war. »Also hat Vanessa Coulter kontrolliert«, sagte er. »Das war der Grund, warum er plötzlich nicht mehr wusste, wo er war. Er ist erst aufgewacht, als der Wiedergänger schon über uns war, und hat es trotzdem geschafft, mich zu retten.«
»Wenn wir einschlafen, könnte sie wahrscheinlich auch uns kontrollieren«, erklärte Kendra.
»Wie?« Er nahm sich noch einen von den Keksen, die Kendra in einem Schrank entdeckt und auf den Tisch gestellt hatte.
»Sie ist eine Narkoblix, und ich glaube, dass sie die Drumanten als Ablenkungsmanöver benutzt hat, damit sie uns nachts beißen konnte, ohne dass irgendjemand wegen der Bissspuren Verdacht schöpft. Du bist von Drumanten gebissen worden und ich auch. Und Coulter. Und Tanu. Aber wer weiß, ob diese Bisse wirklich alle von Drumanten waren?«
»Ich wette, du hast Recht«, meinte Seth, während er an seinem Keks knabberte. »Weißt du, ich bin in dem Kokon ein paarmal eingeschlafen. Einmal habe ich ziemlich lange geschlafen. Vielleicht weiß sie, dass ich noch lebe.«
»Um auf der sicheren Seite zu sein, sollten wir besser
nicht einschlafen, bevor wir dieses Problem gelöst haben«, sagte
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